UN Frauen arbeitet an einer gemeinsamen Position zum Thema Prostitution. In diesem Zusammenhang erging weltweit ein Aufruf, Stellungnahmen einzureichen.
Hier unsere gemeinsame Eingabe mit Kofra (München) und dem Bündnis Stop Sexkauf.
Deutsche Übersetzung des Aufrufs auf banishea.
Kofra
– Kommunikationszentrum für Frauen ist eine Anlaufstelle für
Frauen. Stop Sexkauf und Abolition 2014 sind säkular und
feministisch und fordern die Abschaffung der Prostitution über die
sinnvolle Unterstützung der Frauen in der Prostitution und die
Bestrafung der Käufer, da sie diejenigen sind, die diese Industrie
erhalten. Deutschland ist zu einem Paradebeispiel für die Umsetzung
der Forderungen der Sexindustrie geworden – während einige
Kommunen sich einige Regulierungen vorbehielten, entschieden sich
Städte wie Berlin für die vollständige Entkriminalisierung – und
bietet einen düsteren Ausblick auf die Zukunft einer ungehinderten
Sexindustrie.
Wir bestehen auf der vollständigen Entkriminalisierung derjenigen in der Prostitution und auf einem Null-Toleranz-Ansatz zu Zuhälterei und Menschenhandel. Wir informieren und wecken das Bewusstsein dafür, was Prostitution den prostitutierten Menschen antut und für die Auswirkungen eines staatlich gestützten Sexgewerbes auf die Gleichstellung von Frauen und Männern. Es ist uns eine Ehre, unsere Postition – erworben durch die Aussagen ausgestiegener Frauen und den Anblick von 15 Jahren einer staatlichen Politik der Prostitution als Geschäftmodel – UN Frauen vorzulegen.
Wir bestehen auf der vollständigen Entkriminalisierung derjenigen in der Prostitution und auf einem Null-Toleranz-Ansatz zu Zuhälterei und Menschenhandel. Wir informieren und wecken das Bewusstsein dafür, was Prostitution den prostitutierten Menschen antut und für die Auswirkungen eines staatlich gestützten Sexgewerbes auf die Gleichstellung von Frauen und Männern. Es ist uns eine Ehre, unsere Postition – erworben durch die Aussagen ausgestiegener Frauen und den Anblick von 15 Jahren einer staatlichen Politik der Prostitution als Geschäftmodel – UN Frauen vorzulegen.
Universalität,
Menschenrechte und Niemanden zurück lassen.
Das
Sexgewerbe ist äußerst geschlechtsspezifisch und braucht
geschlechtsspezifische Diskriminierung und Stereotypisierung um zu
bestehen. Es weist Männern als Käufern eine bestimmte Position zu
und ebenso Frauen als denjenigen mit der Möglichkeit, die Nutzung
ihres Körpers mit einem Preisschild zu versehen. Auf diese Weise
erhalten Männer „Agency“ - die Möglichkeit, ihre Ziele und
Wünsche in Handlung umzusetzen – und Frauen sollen damit zufrieden
sein, dass es ihnen gestattet wird, möglicherweise innerhalb eines
von Männern bestimmten Machtsystems Bedingungen auszuhandeln. Dies
setzt ihre Gleichstellung außer Kraft, die eine Bedingung für
Universalität und die Wahrnehmung von Menschenrechten ist. Das
Sexgewerbe lebt von geschlechtsspezifischen und rassisitischen
Aspekten von Armut, es zielt auf alle Frauen und besonders auf solche
mit rassistisch ausgegrenztem oder marginalisiertem Hintergrund. Dies
wird hier durch die Bewerbung von Frauen aus Asien oder Afrika
sichtbar, durch den sexistischen und rassistischen Blick auf Frauen
aus Osteuropa und durch die verächtliche Darstellung von Romnija im
Sexgewerbe. Seit der Beseitigung der letzten Hindernisse im Jahr
2002, Prostitution zu einem bedeutenden Gewerbezweig zu machen,
dominieren riesige Reklameschilder die Landschaft entlang der
Autobahnen und Lastwagen, Anhänger und Taxis mit Bordellwerbung
signalisieren Käuferprivileg an Männer. Das neue
Prostituiertenschutzgesetz,
das im Juli 2017 in Kraft tritt, legalisert diese Werbung völlig.
Leicht zugängliche Freierforen sind voll von gewaltvollen und
rassistischen Beschreibungen. Riesige Bordelle für bis zu 1000
Sexkäufer, Apartmenthäuser, „Verrichtungsboxen“ und Stehplätze
für „Lovemobile“ sind Teil eines staatlich unterstützten
Industriezweigs, der 24 Stunden an jedem Tag Männern bezahlten
sexuellen Zugang zu Frauen garantiert. Der Rassismus, der dieses
Gewerbe stützt, wird von öffentlich finanzierten Anlaufstellen und
lautstarken BefürworterInnen des Sexgewerbes wiederholt, wenn
behauptet wird, dass ein deutsches Bordell der
Menschenrechtsverletzung der rassistischen Verfolgung möglicherweise
vorzuziehen ist oder dass es „vielleicht
besser [wäre], jenen, die weniger privilegiert sind, als wir selbst
zu überlassen, wo die Grenzen ihrer Menschenwürde verlaufen“.
Menschenrechts-verletzungen dienen als Rechtfertigung für andere
Verletzungen, schlimmer, sie werden zu ihrer Ressource. Dies
ist unvereinbar mit Gleichstellung, Universaltität, Menschenrechten
und damit, niemanden zurückzulassen.
Nachhaltige
Entwicklungsziele und Ansätze zum Sexgewerbe
Die
reproduktiven Rechte von Frauen werden durch ein ausbeuterisches
Gewerbe, das sich neue Märkte sucht, ausgehöhlt. Es sind über
Freierforen leicht zugängliche Märkte für schwangere Frauen,
darunter für Gangbang-Angebote
mit Schwangeren,
auch wenn die Bewerbung solcher Angebote verboten werden soll. Die
Käufer wollen spüren, wie sich der Fötus bewegt. Wolf
Heide,
ein Gynäkologe, verdeutlichte in einer Anhörung vor dem Deutschen
Bundestag, wie sexuell übertragbare und andere Krankheiten für die
Frauen zur Sterilität führen. Dies setzt ihre reproduktiven Rechte
grundlegend außer Kraft.
Armut
ist für das Sexgewerbe sowohl eine Ressource als auch ein
Ausstiegshindernis, wie eine Studie
zu prostituierten Frauen aus Bulgarien in Stuttgart zeigt.
Die
Legalisierung des Gewerbes bedeutet Steuereinnahmen: Eine Tagesgebühr
von 25,- € am Tag pro Frau oder per Quadratmeter der
Prostitutionsstätte, die über die Bordellbetreibenden eingezogen
wird, oder Parkuhren für Tickets für die Frauen in der
Straßenprostitution. In München ziehen Steuerbeamte über die
Bordelle die Mehrwertsteuer ein, so dass die Zimmermiete bei 185,- €
für 24 Stunden pro Zimmer liegt (Caesar's
World).
Dazu kommt die Einkommenssteuer, die durch Steuerbeamte über
Schätzungen anhand der Webseiten unabhängig tätiger Frauen
festgelegt wird. Steuerschulden funktionieren als Ausstiegshindernis.
Das
Sexgewerbe erscheint „nachhaltig“, da die meisten Frauen in der
Prostitution aus dem Ausland stammen und das Land verlassen müssen,
wenn sie krank werden, während deutsche Frauen in die Armut
abgleiten und praktisch nicht in der Lage sind, Therapien und den
Eintritt in die Gesellschaft zu organisieren. Eine oberflächlich
„friedliche Gesellschaft“ wird
nicht durch die Inklusion, sondern durch die Exklusion der
Ausgestiegenen erreicht. Die
Folgen werden in andere Länder ausgewiesen.
Die
Legalisierung der Sexindustrie veränderte die Definitionen von
„Zuhälterei“ oder „Menschenhandel“ und betrifft „Zustimmung“
in sexuellen Beziehungen. Dies hat Auswirkungen auf unsere Gesetze zu
Vergewaltigung, zu „häuslicher Gewalt“ und zu Stalking, und
daher auf den rechtlichen Status von Frauen in bezug auf Gewalt
gegen Frauen.
Die für EU-Staaten verbindliche Istanbulkonvention
ist in ihrem Artikel
36
eindeutig in der Definition sexueller Gewalt und garantiert
effektiven Rechtsbehelf. Doch ihre Umsetzung könnte dazu dienen,
„Zustimmung“ in einem Bordell zu hinterfragen und unsere
Legislative verzögert ihre Umsetzung und Überführung in das
nationale Recht, wodurch das
Recht jeder Frau auf ordentliche rechtliche Verfahren ausgehöhlt
wird.
Schutz
der Frauen im Gewerbe vor Schaden, Gewalt, Stigma und Diskriminierung
Der
überlegte Ansatz liegt in der Entkriminalisierung der Frauen in der
Prostitution, Polizeischulung, öffentlicher Aufklärung,
Unterstützung für Frauen, die aussteigen wollen, für Migrantinnen
und für diejenigen, die in die Industrie gehandelt oder gezogen
wurden. Er verlangt eine Politik, die die Gewalt als solche erkennt
und bereit ist, sie zu beenden, nicht eine, die in regulierenden
Ansätzen angeblich akzeptable Grade an Gewalt aushandelt oder diese
Verhandlungen den Individuen, genaugenommen den Individuen mit dem
geringsten Status in der Gesellschaft, überlässt.
Eine
vollständig akzeptierte Sexindustrie bedeutet hingegen, den Schaden
und die Gewalt ein Geschäft zu nennen, während Stigma und
Diskriminierung dessen Ressourcen werden. Dies bedeutet, die Gewalt
wegzudefinieren.
Prostitution
wurde hier im frühen 20. Jahrhundert entkriminalisiert und vor 2002
wurden Bordelle geduldet. Das Prostitutionsgesetz
von 2002
wollte vor allem die Frauen in Renten- und Krankenversicherungen
einzahlen lassen und die Profite legalisieren. Gesetze zur Zuhälterei
und Menschenhandel wurden in den folgenden Jahren „angepasst“
(vgl. die Änderungen zu den §§ 180ff und 232 STGB).
Nun
werden Fälle eingestellt, bevor sie vor Gerichte kommen, während
andere zu minimalen Strafen führen. Die Polizei
wird entmutigt, Ressourcen in Fälle von Menschenhandel zu
investieren, da diese teuer sind und dann rechtlich fallen gelassen
werden. Strafverfolgungs-behörden gehen von einem deutlichen Mangel
an Anzeigen aus, während die Statistiken bereinigt werden:
Verurteilungen wegen Zuhälterei gingen bis
2011 um 99%
zurück und 2014
gab es nur 557 Opfer
des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Erhebliche
Menschenrechtsverletzungen wie sexuelle Gewalt, Menschenhandel und
Freiheitsberaubung zählen als „Arbeitsunfall“,
was Entschädigung für Arztkosten um den Preis der Akzeptanz der
Gewalt an sich bietet. ( Sozialgericht
Hamburg S 36 U 118/14)
Die
Interessen von Migrantinnen, die Opfer von Menschenhandel wurden,
werden ignoriert und die Legalisierung der Sexindustrie hat daran
nichts geändert. Der einzige Unterschied ist ein explodierter Markt.
Obwohl
eine Studie aus dem Jahr 2004
die gleiche Gewalt in der Prostitution feststellte wie Studien
weltweit, befasste sich die Evaluation des ProstG 2007
nicht mit Gewalt. Und obwohl nur Bordellbetreibende ihrer
Zufriedenheit mit dem Gesetz Ausdruck verliehen und die Studie zum
Ergebnis kam, dass es „für
einen kriminalitätsmindernden Effekt des ProstG […] bislang keine
belastbaren Hinweise [gibt]“,
konzentrierten sich die Bemühungen der Regierung auf regulierende
Angelegenheiten wie Baurecht oder bessere Besteuerungsmöglichkeiten
der Betriebe.
Dieser
Ansatz unterhöhlt Rechtsstaalichkeit, wie sie unter Punkt 8 und an
anderen Stellen der Agenda
2030 für nachhaltige Entwicklung
gefordert wird und ist unvereinbar mit dem UN
Aufruf zu Gleichstellung und dazu, Niemanden zurückzulassen.
Es befriedigt nicht die Bedürfnisse
der Gefährdetsten,
sondern stellt sicher, dass sie weiterhin gefährdet bleiben. Dies
steht in einem westlichen, reichen Land unter Beweis, das der
Rhetorik der Sexindustrie gefolgt ist, derzufolge die Legalisierung
des Kaufs, Bordellbetriebs und „operationaler Aspekte“ wie
„Management“ und „Reiseerleichterung“ diese Industrie
angeblich sicher macht und Frauen stärkt.
Die
Sexindustrie mag individuellen Frauen vorübergehend einige
Vermarktungschancen innerhalb eines ungleichen Systems, das von
Stigmatisierung und Diskriminierung lebt, bieten, aber sie trägt
nicht zur Gleichstellung von Frauen bei, die eine Vorbedingung zur
Beendigung der Gewalt gegen Frauen und zum Aufbau friedlicher und
inkludierender Gesellschaften ist. Die Entkriminalisierung der Frauen
(oder anderer) in der Prostitution ist ein notwendiger Schritt zu
ihrer Sicherheit, doch wird dieser Schritt bedeutungslos gemacht
durch die Schaffung einer Situation, die de facto die Gewalt gegen
sie entkriminalisiert. Eine Politik auf dem angeblichen Recht
männlichen sexuellen Zugriffs auf Frauen aufzubauen trägt nichts
dazu bei, Gewalt gegen Frauen zu verhindern, sei sie sexuell,
körperlich, psychisch, wirtschaftlich oder institutionell. Im
Gegenteil: Wir sehen eine steigende Akzeptanz von
Menschenrechtsverletzungen. Das Gefangensein von Frauen innerhalb von
Kastensystemen, ihre Enteignung in ländlichen Gebieten, ihre
Verdammung in die Armut, ihre rassistische Verfolgung, die
Verweigerung des Rechts auf Bildung oder auf Mittel gegen HIV oder
auf reproduktive Rechte werden genannt, um Verbrechen wie
Menschenhandel oder die Misshandlung von Frauen in der globalen
Sexindustrie akzeptabel oder wünschenswert zu machen. Mit Blick auf
irgendeine Bedeutung von Menschenrechten als unveräußerlich und
unteilbar ist dies absolut inakzeptabel.
Inge
Kleine
und
und
Manuela Schon
Solveig Senft
Yvonne Smidt (Terre des Femmes)
Karen Ehlers
Susanne Keil (Courage Essen)
Simone Watson, Director Nordic Model Australia Coalition
Simone Watson, Director Nordic Model Australia Coalition
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