Die im Rahmen der Gesetzesevaluation durchgeführten
Befragungen der prostituierten Personen durch das unabhängige Forschungsinstitut Vista Analyse AS haben zu folgenden zentralen
Ergebnissen bezüglich der Arbeit und Bewertung des Gesetzes durch die prostituierten Personen.
Veränderung der Einstellung in der Gesellschaft - das Stigma der Käufer
Die befragten prostituierten Personen sind der Meinung, dass
der Kauf von "sexuellen Dienstleistungen" durch das Sexkaufgesetz
noch stigmatisierender und sozial weniger akzeptabel geworden sind, was dazu
führe, dass viele [Sexkäufer] sich vom Straßenstrich fern halten. Sie sind
einhellig der Meinung, dass das Gesetz zu einer Einstellungsänderung geführt
hat.
Einige prostituierte Personen meinen, dass ein gewisser
Anteil der Kunden nach Einführung des Gesetzes den Kauf "sexueller
Dienstleistungen" komplett eingestellt hat und es sich bei diesem Anteil
in erster Linie um die ressourcenstärksten Männer handelt - das heißt, um diejenigen,
die den Frauen die respektvollste Behandlung zuteil kommen ließen.
Die Sexkunden haben es jetzt eiliger und möchten rascher
fertig werden als vor Inkrafttreten des Gesetzes. Sie möchten nicht von der
Polizei oder von anderen gesehen werden. In der Straßenprostitution äußert sich
dies dadurch, dass sie verlangen, dass die prostituierte Person so schnell wie
möglich ins Auto hineinsetzt. In der Innenprostitution ist es nicht
ungewöhnlich, dass ein Kunde Kleider zum Wechseln dabei hat, damit er die Wohnung
oder das Hotel in einer anderen Bekleidung als in der verlassen kann, in der er
ursprünglich gekommen ist. Auf beiden Schauplätzen ist es üblich, dass sich
diese Kunden mit Caps und Sonnenbrillen einfinden.
Einige prostituierte Personen empfinden den Auftrag des
Gesetzes zur Änderung der Einstellungen in der Gesellschaft als positiv. Man
wünscht sich zum Beispiel nicht, dass die eigenen Kinder in dem Glauben
aufwachsen sollen, dass es "ganz einfach" ist, "eine Frau zu
kaufen". Die Forscherinnen von
Vista Analyse haben mir anderen Worten sowohl norwegische als auch ausländische
prostituierte Personen ausfindig gemacht, die das Sexkaufgesetz unterstützen
und die einstellungsbildende Wirkung unterstreichen, die das Gesetz langfristig
haben könnte. Gleichzeitig wird unterstrichen, dass Möglichkeiten für andere
Tätigkeiten bestehen müssten, wenn man wirklich wolle, dass weniger in der
Prostitution enden. Prostitution wird von einigen als einzige zur Verfügung stehende
Einnahmequelle angegeben (insbesondere wegen fehlender Arbeitserlaubnis und
fehlender Sprachkenntnisse).
Veränderung der Einstellung bei der Polizei
Prostituierte Personen empfinden, dass bei der Polizei zum Teil eine Einstellungsveränderung erforderlich ist. Es wird angeführt, dass einige prostituierte Personen, insbesondere in der Osloer Straßenprostitution, sich vor der Polizei fürchten. Durchsuchungen und die Suche nach Kondomen, sowie die Anwendung des Ordnungswidrikeitsparagraphen werden als Schikane aufgefasst (auf Rückfrage wird bestätigt, dass dieser auch vor Einführung des Sexkaufgesetzes angewandt wurde).
Es wird allerdings präzisiert, dass man die negativen
Erfahrungen mit der Polizei in Oslo mit der Polizeiwache "Sentrum"
(Zentrum) und beispielsweise nicht mit der ehemaligen STOP-Gruppe gemacht
hat. Dieser wird eine große Kompetenz zugeschrieben. Die prostituierten
Personen haben erlebt, dass Polizisten, die sich mit Menschenhandel befassen,
mehr Ahnung von Prostitution haben und die Frauen mit mehr Respekt behandeln.
Entwicklung des Marktes
In der Straßenprostitution kam es zu einem starken Preisverfall (von 500 auf 200-300, teilweise 100 NOK - von 60 auf 12 Euro). Dies kann auf eine verringerte Nachfrage hindeuten.
Frauen in der Innenprostitution betonen, dass das
Preisniveau in Norwegen weit höher als zum Beispiel in Spanien liegt (300 Euro
gegenüber 20-25 Euro für einen Job). Es wird angegeben, dass das
Verdienstpotenzial vor Einführung des Sexkaufgesetzes besser war und dass man
2008 innerhalb von zwei Wochen 20.000 Euro verdienen konnte, während der
Verdient heute weit niedriger ist. Dies muss vor dem Hintergrund gesehen
werden, dass die Marktanteile für eine Frau dann am höchsten sind, wenn sie neu
im Markt ist. Viele geben an, dass sie es als schwierig oder beinahe unmöglich
empfinden, so viele Kunden zu bekommen wie sie sich wünschen.
Der Straßenstrich in Oslo wird von afrikanischen
(insbesondere nigerianischen) und einigen rumänischen und bulgarischen Frauen
dominiert. Die norwegischen Frauen, darunter Drogenabhängige, wurden in eine
bestimmte Straße (Norskegata) und/oder die Innenprostitution verdrängt. Dies
ist allerdings eine Entwicklung, die es bereits lange vor Einführung des
Sexkaufgesetzes gab. Es wird auf Gruppen ausländischer prostituierter Personen
hingewiesen, die häufig zusammen stehen und mitunter auch einen Zuhälter dabei
haben, der andere Konkurrentinnen wegjagt. Wenn große Gruppen zusammenarbeiten,
können diese gute Stellen auch dadurch wegschnappen, dass immer, rund um die
Uhr, jemand von der Gruppe dort steht.
Für diejenigen, die allein arbeiten und auch nicht jeden Tag arbeiten möchten,
wird es dann schwierig, Orte zu finden, an denen sie stehen können - was dazu
geführt habe, dass norwegische Frauen in einen engen "Schlauch", der
Norskegata, verdrängt wurden.
Ein Anzeichen dafür, dass der Markt schlechter und die
Nachfrage im Verhältnis zum Angebot zurückgegangen ist, ist die Angabe dass
sich nach Einführung des Gesetzes die Zahlungen an Hintermänner verringert
haben, um nach Norwegen kommen zu dürfen (was zu Schulden führt und auch
entsprechend bezeichnet wird). Früher haben die Zahlungen an Schulden bei
Hintermännern von nigerianischen Frauen normalerweise bei 50-60.000 Euro
gelegen. Jetzt liegen sie bei etwa 40-45.000 Euro. Es ist unklar ob due
verringerten Schulden von nigerianischen Frauen nur für Norwegen oder auch für
den Rest von Europa gelten. Es wird auf die hohen Lebenshaltungskosten in
Norwegen hingewiesen und darauf, dass die Schulden deshalb verringert werden
müssten, um überhaupt jemanden dazu zu bewegen, sich in Norwegen aufzuhalten.
Die prostituierten Personen bestätigen die Rotation im Markt
und dass manchen über die Landesgrenzen hinweg operieren.
Viele prostituierte Personen versuchen ihre Kundenanzahl
durch die Schaltung von mehreren Anzeigen zu erhöhen. Im Jahr 2008 gab es rund
100 veröffentlichte Inserate, heute sind es 600-700. Feste Kunden, die für eine ganze Nach oder
ein Wochenende zahlen, sind den Befragten zufolge entscheidend dafür, um im
norwegischen Markt bestehen zu können. Ihrer Ansicht nach schaffen
Neuankömmlinge es nicht , genügend feste Kunden aufzubauen, um sich in Norwegen
oder eine Zeitlang in einer bestimmten Stadt aufhalten zu können. Die Anpassung
besteht daher in kurzen Besuchen in Norwegen mit kurzen Aufenthalten in einigen
Orten, um genügend Kunden gewinnen zu können.
Eine männliche prostituierte Person gab an, der Markt in
Norwegen sei zu klein, um davon leben zu können. Er geht nebenher einer anderen
Tätigkeit nach und meint, es sei leichter, beispielsweise in Deutschland
schnelles Geld zu verdienen.
Die Kunden
Die meisten Sexkäufer sind zwischen 35 und 45 Jahre alt, es gibt aber auch zunehmend Kunden im Alter von 70-75 Jahren. Jüngere Männer unter 25 stellen einen äußerst geringen Anteil dar. Während es sich bei den Sexkäufern in der Straßenprostitution hauptsächlich um Männer nichtnorwegischer Herkunft handelt, handelt es sich in der Innenprostitution überwiegend um norwegische Kunden.
Die Lebenssituation von Frauen (und Männern) in der Prostitution
Es gibt eine Tendenz zum Angebot von Sex ohne Kondom. Dies
wird von den Befragten als besorgniserregend angesehen.
Es ist unklar, ob die Anzahl der Gewaltvorkommnisse nach der
Einführung des Gesetzes zugenommen hat. Eine Befragte aus der
Straßenprostitution meint, die Gewalt habe zugenommen, während andere keine
Änderung oder weniger Gewalt aufgrund des Umstandes vermelden, dass die Kunden
sich mehr davor fürchten, wegen Sexkaufes angezeigt zu werden und daher
vorsichtiger geworden sind. Die wenigstens befragten Personen hatten jedoch
Erfahrungen aus der Zeit vor Einführung des Gesetzes.
Der Umstand, dass die Kunden weniger Zeit haben, wird als
positive Wirkung des Gesetzes empfunden. Mehr Effektivität gibt Raum für mehr
Kunden oder mehr Freizeit sowie für weniger leeres Gerede und
"sonderbare" Anfragen. Norwegische
prostituierte Personen und ausländische mit längerer Anbindung an Norwegen
haben sich an das Gesetz angepasst, dass sie mehr feste Kunden haben, die anstelle
von Straßenbesuch per Mobiltelefon oder auf andere Weise erreichbar sind. Dies
könnte eine positive Wirkung des Gesetzes sein, da solche Umstellungen zu einem
verringerten Sicherheitsrisiko führen. Auch Frauen, die ausschließlich in der
Innenprostitution arbeiten, berichten von vielen festen Kunden und dass dies
vorzuziehen ist. Um sich selbst zu schützen, würde die Mehrzahl auch keinen
Anruf mit unterdrückter Nummer annehmen.
Einschätzung zu Menschenhandel/Zwangsprostitution
Die prostituierten Personen sind der Meinung, dass es mehr Ressourcen benötigen würde, um verhindern zu können, dass Frauen und Männer in die Prostitution getrieben werden. Die norwegischen Frauen heben "Laurus Hus" (bietet Opfern von Menschenhandel Zuflucht) und "Rosa" (Hilfsprojekt für Opfer von Menschenhandel) als positive Maßnahmen hervor. Erstere gab es bereits vor Einführung des Gesetzes.
Von den ausländischen Frauen werden die Norwegischkurse,
finanziert aus einem 10-Millionen-Topf, der infolge des Gesetzes eingerichtet
wurde, als äußerst positive Maßnahme empfunden. Die Möglichkeit mehrere Kurse
zu absolvieren und sicherer in der norwegischen Sprache zu werden, eröffnet
neue Möglichkeiten und potentiell einen Weg aus der Prostitution heraus.
Mehrere Befragte sagen, dass sie aus der Prostitution heraus- und in andere
bezahlte Berufe hineinkommen möchten. Die Herausforderung besteht darin, dass
viele finanzielle Verpflichtungen im Heimatland, Schulden oder andere
finanzielle Herausforderungen haben, wodurch es schwierig wird, alternative
Berufe zu finden.
Die Befragten geben an, dass das Gesetz dazu beigetragen
hat, die Rentabilität für die Hintermänner und damit auch potentiell den Umfang
des Menschenhandels zu verringern. Es scheint so als habe das Sexkaufgesetz die
Verdienstmöglichkeiten der Hintermänner eingeschränkt und es ihnen erschwert
hat, Menschenhandel zu betreiben. Es wird auch darauf hingewiesen, dass
Hintermänner von den hohen Kosten in der Innenprostitution abgeschreckt würden
und daher ihre prostituierten Personen lieber auf andere Märkte als den
norwegischen bringen. Nach Ansicht der Befragten ist Norwegen infolge des
Sexkaufgesetzes und der Umsetzung des Zuhältereiparagraphen eindeutig weniger
attraktiv geworden.
Es gibt Frauen aus der Innenprostitution, die angeben, dass
sie die Polizei selbst darüber informieren würden, wenn ihrer Meinung nach zu
viele junge Frauen auf den Internetseiten sind - in der Hoffnung, dadurch zur
Verhütung des Menschenhandels beizutragen.
Perspektive/Nachbesserungsbedarf
Einige Frauen mahnen aus den oben genannten Gründen eine Einstellungsänderung und bessere Schulung insbesondere der jungen Streifenpolizisten an.
Es müssen noch mehr Alternativen für prostituierte Personen
angeboten werden.
Quelle: Vista Analyse AS: Evaluering av forbudet mot kjøp av seksuelle tjenester (Kapitel 7)
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