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Frau Ramírez Vega gab zunächst einen Überblick über die
Bereiche der Prostitution – sie unterschied dabei zwischen der selbstbestimmten
Prostitution, Armutsprostitution und Menschenhandel. Sie ging auf das Elend
ein, mit dem die FIM-Frauen bei ihrer Arbeit konfrontiert sind: sehr junge
Frauen, zum Teil Analphabetinnen, werden mit Drohungen in die Prostitution gebracht
und gehalten. Diese Frauen „existieren praktisch nicht“, erklärte Ramírez Vega;
sie seien nicht gemeldet, hätten keine Krankenversicherung. Oft hätten sie
wenig Information über ihren Körper, die ersten sexuellen Erfahrungen fänden
oft in der Prostitution statt.
Zum Großteil handelt es sich Ramírez Vega zufolge um
osteuropäische Frauen, vor allem Bulgarinnen und Rumäninnen, die aus
unvorstellbarem Elend nach Deutschland kommen. Laut Ramírez Vega sei das
Bordellzimmer für einige oft luxuriöser als das Zimmer, das sie zuhause hätten.
Oft seien diejenigen, die die Frauen und Mädchen in die Prostitution bringen,
Angehörige oder ein „Freund“, der die Loverboy-Methode einsetzt. Durch die
persönliche Bindung sei es oft kompliziert, Ausstiegswilligen zu helfen, denn die
Dynamik zwischen prostituierter Frau und Zuhälter ähnele der in Fällen von Partnerschaftsgewalt. Ramírez Vega berichtete
von einem Fall, bei dem FIM für eine Frau, die aus der Prostitution wollte, den
Ausstieg organisiert hatte. Einen Monat, nachdem diese die angemietete Wohnung
bezogen hatte, ging sie wieder zu ihrem Zuhälter zurück. Ramírez Vega sagte offen, dass diese Problematik sowie die Vielzahl dieser
Frauen FIM inzwischen fast überfordere.
Ramírez Vega berichtete weiters über die
bekannten Zustände, wie sehr die Standards, die früher galten, inzwischen
gesunken sind. Preise auf der Straße bewegten sich zwischen 10-15 € pro Prostitutionsakt (in manchen Fällen auch ein Burger als Bezahlung).
Kondombenutzung sei nicht mehr allgemein üblich. Bezüglich der Praktiken
bestehe ein hoher Druck, vor allem wenn ein Zuhälter involviert sei, oder der
Bordellbetreiber überhöhte Zimmermieten fordere (bis zu 140€ pro Tag).
Angesichts all dessen ist natürlich die Frage, wie FIM
politisch zum Thema Prostitution steht. Auf Nachfrage erklärte Ramírez Vega,
dass FIM nicht für das Nordische Modell eintritt und brachte als Begründung das
Untergrund-Argument – die Prostitution würde dann in den Untergrund abwandern
und ließe sich noch weniger regulieren. In der früh noch während des Referats aufkeimenden
Debatte entkräftete eine Zuhörerin dieses Argument mit Bezug auf
Simon Häggström: wenn die Freier die Frauen finden, könne dies die Polizei
ihm zufolge ebenso. Einen „Untergrund“ könne es für die Prostitution somit nicht geben.
Vorwiegend äußerten sich in der sehr engagiert geführten
Diskussion Frauen, die das Nordische Modell befürworteten und
fundiert dafür argumentierten. Jedoch durfte das bekannte Putz-Argument
natürlich nicht fehlen („Arbeit wie jede andere… sexuelle Dienstleistung… ist
wie Putzen gehen…“). Eine junge Frau berichtete von ihrer Wohngegend, in der
Bordelle betrieben werden. Die Zustände seien unerträglich. Eine
Interessengemeinschaft der AnwohnerInnen hat sich daher inzwischen gegründet.
Sie verwies darauf, dass das was in Deutschland passiert, inzwischen weltweit
Empörung weckt und sie sehr froh sei, dass internationale Organisationen einen
Brief an Merkel geschrieben haben.
Das Problem des ökonomischen Elends als ein Pfeiler, auf dem
die Prostitution aufbaut, durchzog ebenfalls die Debatte. Klar ist jedenfalls,
dass es zynisch wäre, es als eine Art „Lösung“ zu betrachten, die Effekte
ökonomischer Ungleichheit und Ausbeutung auf dem Rücken von Frauen zu mildern,
indem jene sexuell ausgebeutet werden. Solch ein Standpunkt würde zweigleisig
Unmenschlichkeit bejahen: zum einen die gegen die Frauen ausgeübte, zum anderen die,
die das ökonomische Elend überhaupt erst hervorgerufen hat.
Trotz der abwehrenden Haltung FIMs zum Nordischen Modell
erklärte Ramírez Vega, dass FIM sich eine Welt ohne Prostitution wünsche.
Prostitution sei ihnen zufolge keine Arbeit wie jede andere und sie fänden es
nicht richtig, dass Männer so die Notlagen von Frauen ausnutzen dürften. FIM
wünscht sich mehr Ausstiegsförderung, z.B. indem auch ausländische Frauen Hartz
VI beantragen können. So richtig dieser Ansatz ist, wird das natürlich nicht
die Quellen der Ausbeutung trockenlegen. Eine junge Frau, die zuvor Unbehagen
mit einem Verbot von Prostitution geäußert hatte, befragte Frau Ramírez Vega,
warum FIM, wenn sie sich eine Welt ohne Prostitution wünschten, nicht für das
Nordische Modell einträten. Ramírez Vegas Antwort lautete: „Weil Deutschland
noch nicht so weit ist.“
Dies sehen wir selbstverständlich anders. Deutschland ist
nicht nur längst so weit, es ist längst überfällig, gegen die humanitäre
Katastrophe, die hier seit 2002 installiert wurde, und von der unmenschliche
Teile der Gesellschaft sowie der Staat profitieren (Pauschalsteuer), anzugehen.
Dabei müssten gerade jene, die als Expertinnen für Frauenrechte eintreten und
das Unrecht aus eigener Anschauung kennen, ihre Stimmen erheben. Lange genug
wurden wir von der Propaganda der Prostitutionslobby eingelullt. Auch international
wächst das Unverständnis für die Zustände in Deutschland.
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