Foto: Kajsa Ekis Ekman |
Zuerst die gute Nachricht: Das schwedische Modell gewinnt an Boden. In den letzten Jahren haben Norwegen, Island, Kanada, Nordirland und Frankreich für Sexkaufverbote votiert und weitere Länder die Entscheidung getroffen, sich auf die Nachfrage zu fokussieren - das bedeutet, die Männer, die Sex kaufen, in die Verantwortung zu nehmen.
Im letzten Jahr hat das Europäische Parlament einen Bericht verabschiedet, der zu dem Ergebnis kam, dass das schwedische Modell am effektivsten gegen Menschenhandel wirkt und hat ein Forschungsprojekt für 2,5 Millionen ausgeschrieben, um die Nachfrage nach Prostitution zu untersuchen.
Das führte auch dazu, dass die ProstitutionsbefürworterInnen ihre Taktik geändert haben. Sie betreiben weniger sichtbare Agitation, schreiben weniger Blogs und zeigen weniger Präsenz in feministischen Kreisen und LBGT-Bewegungen. Dafür betreiben sie Lobbyismus in Institutionen, konzentrieren sich auf die EU, Regierungen und auf Organisationen wie Amnesty International oder die ILO. Außerdem gründen sie eigene Organisationen mit ähnlichen Namen wie Anti-Menschenhandelsorganisationen (zum Beispiel GAATW, eine Prostitutionslobbygruppe, die sich sechs Jahre nach CATW, einer feministischen Anti-Menschenhandelsorganisation, gründete).
Nun zu den schlechten Nachrichten: Genau eine solche Gruppe hat das EU-Projekt zur Nachfrage an Land gezogen. Das Projekt DemandAT erfüllt auf den ersten Blick die Kriterien: Es "wird die Nachfrage nach Menschenhandel untersuchen", sie schreiben, dass "den Käufern selbst bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde" und dass es die Absicht ist "eine gründliche empirische Analyse der Nachfrage nach Menschenhandel" vorzunehmen.
Schaut man sich die ForscherInnen näher an, deckt man etwas irgendwie Mysteriöses auf. Hier sitzen nämlich Europas größte LegalisierungsfürsprecherInnen aus der Sexindustrie. Zum Beispiel die niederländische Politikerin und Lobbyistin Marieke von Doorninck. Sie war bereits in fast allen Vorständen von niederländischen Sexindustrieorganisationen, darunter auch die bekannte De Graaf Stichting und gründete Organisationen, die sich selbst als "Gruppen für die Rechte von SexarbeiterInnen" ausgeben wie zum Beispiel ICRSE - natürlich ohne sich selbst jemals prostituiert zu. Außerdem eine Repräsentantin von La Strada: eine NGO niederländischen Ursprungs, die auf die Legalisierung der Prostitution in Osteuropa hinarbeitet unter dem Vorwand, Menschenhandel minimieren zu wollen.
Auch Schweden hat eine Repräsentantin: Eine Doktorandin der Universität von Lund. Sie ist noch nicht fertig mit ihrer Abhandlung und hat auch noch keinen einzigen von Experten begutachteten Fachartikel zu diesem Thema veröffentlicht oder in einer wissenschaftlichen Zeitschrift publiziert. Sie hat noch keine Studie über Menschenhandel oder die Nachfrage nach Sexkauf durchgeführt: die Themen, um die es in diesem Projekt gehen soll. Wie kommt es also, dass sie für dieses Projekt ausgewählt wurde? Nun, ihr Name ist Petra Östergren und sie ist die lauteste Kritikerin des schwedischen Sexkaufgesetzes der letzten fünfzehn Jahre. Sie ist außerdem die einzige Anthropologin in Schweden, deren Doktorarbeit von der Ax-son Johnsons Stiftung gefördert wurde.
Östergren hat nun 300.000 Euro erhalten, um das schwedische Team zu leiten. Zusammen mit bekannten ProstitutionslobbyistInnen und WissenschaftlerInnen ohne Fachkompetenz in diesem Gebiet soll sie Maßnahmen gegen Menschenhandel evaluieren - wie zum Beispiel das schwedische Sexkaufgesetz. Gibt es irgendjemanden der/die glaubt, dass das Resultat objektiv sein wird?
Ich habe Alfred Kraler, den Initiator des Projektes, angemailt. Ich habe gefragt, nach welchen Verdiensten die ForscherInnen ausgesucht wurden. Er antwortete, sie wurden ausgesucht auf der Grundlage früherer Studien. Als ich ihn fragte, ob er mir die Studien zeigen könne und ob irgendeineR der Partizipierenden jemals eine Studie über Männer, die Sex kaufen, durchgeführt habe, schrieb er "wir sind nicht in erster Linie interessiert daran zu verstehen, warum Männer Sex kaufen. Wir erforschen die Prostitution nicht empirisch. Wir wollen vielmehr die Auswirkungen verschiedener Gesetze, die Prostitution regulieren, untersuchen.
Er ergänzte außerdem, dass Östergren in der schwedischen Gruppe nicht alleine sei. Es gibt jemanden, der ihr hilft - Don Kulick. Nur dass dieser Mann dafür bekannt ist, Sexkäufer als "die queeresten Menschen hierzulande in Schweden" zu bezeichnen und der das Recht von 400.000 schwedischen Männern, Sex zu kaufen, verteidigt und jüngst Männern mit Behinderung applaudierte, die nach Thailand flogen, um Sex zu kaufen.
Dass diese Gruppe bekannter Lobbyistinnen von der EU eingesetzt wurde, um Menschenhandel zu untersuchen, ist ein schlechter Scherz. Die besten europäischen ForscherInnen zu diesem Thema, Julia O'Connell Davidson und Sven-Axel Månsson, mit mehr als 30 Jahren Forschungserfahrung zur Nachfrage, werden völlig übergangen. Die anderen ForscherInnen der DemandAT-Gruppe haben in der Regel niemals zu Prostitution geforscht, sondern in Richtung Migration, Fischerei, Landwirtschaft und Grenzpolitik - Dinge, die ganz anderen Mechanismen unterliegen als das männliche Interesse, Sex zu kaufen. Und wer soll nun dieses Projekt überwachen? Niemand geringeres als die NGO der Sexindustrie: GAATW.
Ist der schwedischen Regierung bewusst, dass Schweden von Menschen repräsentiert wird, die nicht nur die schwedische Position bezüglich Prostitution ablehnen, sondern denen auch die notwendigen Kompetenzen fehlen?
Ist den verantwortlichen EU-KommissarInnen bewusst, dass die Steuergelder, die für eine Studie zur Nachfrage gedacht waren, nun in ein Loch unserer skrupellosesten LobbyistInnen fallen?
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