Warum Legalisierung eine schreckliche Idee ist
Autorin: Jacqui Hunt, Leiterin der Londoner Stelle von EqualityNow
Quelle: The Huffington Post UK
Original veröffentlicht am: 04.03.2013Übersetzt und veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung von Equality Now
von Shubi(Shubi) (Self-made just for fun.) [Public domain], via Wikimedia Commons |
Mythos 1: Die Legalisierung/Entkriminalisierung der Prostitution sorgt für mehr Sicherheit für die betroffenen Frauen
In Ländern, die Prostitution
legalisiert oder entkriminalisiert haben, sind die betroffenen Frauen
nach wie vor schwerer Gewalt ausgesetzt. Laut einem neuseeländischen
Regierungsbericht aus dem Jahre 2008 „befand die Mehrheit der
interviewten Sexarbeiterinnen, dass die [Entkriminalisierung von
Prostitution] kaum etwas gegen das Vorkommen von Gewalttaten [in der
Sexindustrie] ausrichten könne“.
Der noch immer unaufgeklärte Mord an
dem ungarischen Menschenhandelsopfer Bernadette Szabó, die 2009 in
einem legalen Bordell im Rotlichtbezirk Amsterdams erstochen wurde,
illustriert, dass der Rahmen eines legalen Bordells keine
Sicherheitsgarantie vor Gewalt darstellt. Hinzu kommt, dass auch vier
Jahre später niemand zur Rechenschaft gezogen wurde, weder für den
Mord an ihr noch für den Tatbestand des Menschenhandels, wenngleich
sich das Verbrechen in einer angeblich regulierten Zone abgespielt
hat.
Im australischen Bundesstaat New
South Wales kommentierte ein Polizist, der im Bereich Sexhandel
ermittelt, die Ergebnisse der Entkriminalisierung wie folgt: „Auch
wenn die Intention dahinter war, SexarbeiterInnen ein sicheres
Arbeitsumfeld zu verschaffen, ist das Gegenteil eingetreten, da die
Zuhälter und Bordellbetreiber an Macht und Reichtum gewonnen haben.“
Im Bundesstaat Victoria, ebenfalls Australien, beschwerte sich ein
Polizeibeamter, dass „viele Bordelle seit Jahren nicht mehr
inspiziert worden sind“. Project Respect, eine Organisation, welche
in der Prostitution involvierte Frauen unterstützt, hat darauf
hingedeutet, dass der Zugang zu Bordellen „begrenzt ist und im
Ermessen des Bordellmanagements liegt“.
Mythos 2: Die Legalisierung/Entkriminalisierung der Prostitution wirkt sich positiv auf Gesundheit und Wohlbefinden der betroffenen Frauen aus
Ein Bericht von 2008, der von der
Regierung Neuseelands in Auftrag gegeben wurde, hat bestätigt, dass
die meisten Menschen in der Prostitution befinden, dass sich seit der
Entkriminalisierung in Sachen Zugang zu Gesundheitsangeboten und
-informationen „wenig geändert hat“ und dass die jeweiligen
Ansprechpartner „keine grundlegenden Veränderungen in der
Anwendung von Safer-Sex-Methoden bei SexarbeiterInnen als Folge der
Inkraftsetzung [des Gesetzes, das die Prostitution
entkriminalisierte] wahrnehmen“. Unterdessen konstatiert ein
niederländischer Regierungsbericht von 2007, dass das emotionale
Wohlbefinden der in die Prostitution verwickelten Frauen „in allen
untersuchten Aspekten inzwischen niedriger ist als 2001, während die
Verwendung von Sedativa angestiegen ist“.
Mythos 3: Die Legalisierung/Entkriminalisierung der Prostitution verbessert die soziale Absicherung der betroffenen Frauen
Ein 2007 von der
deutschen Regierung in Auftrag gegebener Bericht führt aus, das
Prostitutionsgesetz habe „keine messbare tatsächliche Verbesserung
der sozialen Absicherung von Prostituierten bewirken können” und
„[h]insichtlich der Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der
Prostitution konnten kaum messbare positive Wirkungen in der Praxis
festgestellt werden”. Darüber hinaus stellte die Regierung fest,
dass der Großteil der Frauen in der Prostitution keine
Arbeitsverträge haben und diese auch nicht wollen. Tatsächlich
meldete kaum eine in die Prostitution verwickelte Frau ein
sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis an. Damit
kommen sie nicht in den Vorzug einer größeren sozialen Absicherung
oder von Leistungen wie Kranken- oder Rentenversicherungen.
Mythos 4: Die Legalisierung/Entkriminalisierung der Prostitution reduziert das Stigma, das auf den betroffenen Frauen lastet
Die These, die Legalisierung oder
Entkriminalisierung von Prostitution würde das Stigma gegenüber den
betroffenen Frauen reduzieren, ist weit verbreitet. Dabei haben von
Regierungsstellen und Forschungseinrichtungen durchgeführte Berichte
aus Neuseeland, Australien und Senegal bewiesen, dass dies nicht
zutrifft. Ein Dienstleister im australischen Victoria merkte an:
„Frauen erzählen uns die ganze Zeit, dass ihr Status, in der
Prostitution gearbeitet zu haben, gegen sie verwendet wird“. In
Neuseeland wurde in einem Regierungsbericht festgestellt, dass
„Beschimpfungen und Belästigungen von auf der Straße tätigen
SexarbeiterInnen durch betrunkene Mitglieder der Öffentlichkeit
alltäglich ist“. Eine Legalisierung oder Entkriminalisierung kann
die Stigmata kaum verringern, geschweige denn beseitigen, die auf
Individuen in der Prostitution lasten, weil diese Herangehensweisen
nicht am ausbeuterischen Wesen ansetzen, das Prostitution im Kern
innewohnt. Der Status Quo wird aufrechterhalten und verstärkt, da
Legalisierung und Entkriminalisierung dem ungerechten Machtgefälle
zwischen einer Frau und ihrem Käufer Vorschub leisten. Im Gegenzug
trifft den Sexkäufer, obwohl er sich die Benutzung des Körpers
eines anderen Menschen erkauft, durch diese Herangehensweisen nicht
die geringste Stigmatisierung. Damit leisten sie einen Beitrag zur
Unterstützung eines Systems, in dem die Frau in der Prostitution
nach wie vor untergeordnet, stigmatisiert, ausgebeutet und
unzureichend geschützt wird, während man ihrem Käufer faktisch
Immunität verleiht.
Mythos 5: Die
Legalisierung/Entkriminalisierung der Prostitution reduziert
kriminelle Aktivitäten in der kommerziellen Sexindustrie
In
Gebieten, in denen Prostitution legalisiert oder entkriminalisiert
wurde, gibt es zahlreiche Meldungen über einen Anstieg sowohl des
Menschenhandels als auch der organisierten Kriminalität. Es ist
nicht schwer nachzuvollziehen, dass Zuhälter, Schieber und andere,
die von Prostitution profitieren, von Umgebungen angezogen werden,
die Prostitution tolerieren und sogar ermöglichen, in denen demnach
eine höhere Nachfrage zu erwarten ist und wo sie sich unter dem
Deckmantel der Legalität verstecken können. 2003 erklärte der
Bürgermeister Amsterdams, die Legalisierung sei darin gescheitert,
Menschenhandel zu unterbinden und wies darauf hin, dass es „unmöglich
zu sein scheint, Frauen eine sichere und kontrollierbare Zone zu
verschaffen, die dem Missbrauch durch das organisierte Verbrechen
keine Zugangspunkte offen lässt“. Im Bericht der deutschen
Regierung von 2007 heißt es dazu: „Für
einen kriminalitätsmindernden Effekt des ProstG gibt es bislang
keine belastbaren Hinweise.“ Derweil kam die University of
Queensland in Australien zu der Erkenntnis, dass sich die Aktivitäten
der kommerziellen Sexindustrie zu geschätzt 90% außerhalb der
legalen Sexindustrie abspielen, da „illegale Formen von
Prostitution eine Nachfrage decken, welche von der legalen Industrie
nicht gedeckt werden können.“ Neuseelands Premierminister John Key
bestätigte ebenfalls, die Entkriminalisierung habe in Bezug auf eine
Reduzierung der Prostitution Minderjähriger keine Ergebnisse
erzielt.
Mythos 6: Wenn wir die
Käufer kriminalisieren, erkennen wir nicht an, was in der
Prostitution tätige Frauen wirklich wollen
Eine Studie aus dem Jahre 2003 hat
herausgefunden, dass 89% der Frauen in der Prostitution aussteigen
würden, wenn sie dazu in der Lage wären und wenn sich ihnen andere
Möglichkeiten bieten würden. Dem ungeachtet versagen die Ansätze
der Legalisierung und Entkriminalisierung darin, die Mehrheit der
Frauen anzuerkennen, geschweige denn zu unterstützen, die aus der
Prostitution aussteigen wollen. Laut dem Bericht der niederländischen
Regierung von 2007 „berichten nur 6% der Kommunalverwaltungen, dass
sie sich dem Thema der Ausstiegsmöglichkeiten aus der Branche
widmen“.
Im Gegensatz dazu gehört die
Unterstützung von Frauen beim Ausstieg zu einem der Grundpfeiler des
nordischen Modells, welches jene kriminalisiert, die Sex kaufen,
während es gleichzeitig in die Prostitution involvierte Individuen
von Sanktionen befreit.
Zusammen mit der Organisation Eaves
veröffentlichte die London South Bank University kürzlich einen
Bericht, der im Detail ausführt, wie die Barrieren beim Ausstieg aus
der Prostitution überwunden werden können. Eine Schlüsselerkenntnis
besteht dabei darin, dass viele Frauen mit entsprechender
Unterstützung die Prostitution hinter sich lassen können, dass sie
dies auch tun und sich ihr Leben neu aufbauen. Die Länder, die
Prostitution als Gewaltverbrechen gegen Frauen betrachten, die die
Täter bestrafen und die betroffenen Frauen unterstützen, haben
Programme für jene auf die Beine gestellt, die aus der Prostitution
aussteigen möchten. Es wird indes eingeräumt, dass in dieser
Hinsicht mehr unternommen werden muss.
Die Ansätze der Legalisierung und
Entkriminalisierung tragen zudem den Umständen keine Rechnung, unter
welchen viele Frauen in die Prostitution einsteigen, den Gründen,
aus denen sie dies tun und die dafür sorgen, dass sie dort
verbleiben. Durch unsere Erfahrungen, die wir in der Arbeit mit
Prostitutionsüberlebenden gesammelt haben, wissen wir, dass ein
beträchtlicher Anteil an Frauen als Minderjährige in die
Sexindustrie einsteigt, dennoch wird nicht genug Präventionsarbeit
in frühen Stadien geleistet, um das Selbstwertgefühl von Mädchen
zu fördern und Schutz vor Missbrauch zu bieten. Einige
Menschenhändler, Zuhälter und Ausbeuter üben subtile
psychologische Kontrolle über labile Mädchen aus und verführen sie
– neben dem, dass sie physische Gewalt auf ihre Opfer ausüben.
Indem jene, die eine Legalisierung oder Entkriminalisierung
anstreben, behaupten, Prostitution sei „ein Beruf wie jeder
andere“, lassen sie die erhebliche Zahl an Frauen unter den Tisch
fallen, die als Minderjährige in das System geraten und denen sich
nicht urplötzlich unzählige Türen öffnen, sobald die Uhr an ihrem
18. Geburtstag zwölf schlägt. Hinzu kommen weitere Probleme, die
das Konzept der freien Wahl Lügen strafen und die in der
Sexindustrie weit verbreitet sind. Frauen in der Prostitution weisen
tendenziell einen hohen Grad an posttraumatischer Belastungsstörung
auf. So legt eine aktuelle Prostitutionsstudie, die in neun Ländern
durchgeführt wurde, nahe, dass 68% der Befragten an PTBS leiden.
Zudem wenden sich manche, die nicht in die Prostitution eingestiegen
sind, um eine Drogen- oder Alkoholsucht zu finanzieren, diesen
Substanzen nachträglich als Bewältigungsmechanismus zu, was ihnen
in der Folge den Ausstieg erschwert.
Prostitution stellt einen
zerstörerischen Kreislauf aus Gewalt und Missbrauch dar, in dem
jene, die die Mittel haben, sich käuflich Sex zu erwerben, zu jeder
Zeit Macht über weniger privilegierte Mitglieder der Gesellschaft
behalten.
Prostitutionsbefürworter bringen
regelmäßig vor, Legalisierung und Entkriminalisierung seien die
besten Ansätze, um die negativen Folgen von Prostitution
einzugrenzen. Dem entgegen weisen sowohl die verfügbaren Belege als
auch unsere Erfahrungen eindeutig darauf hin, dass dies nicht
zutrifft. Ansätze wie diese verringern nicht die Gewalt, die sich
gegen Frauen in der Prostitution richtet. Sie tragen nicht dazu bei,
deren Gesundheit, Wohlbefinden oder soziale Absicherung zu
verbessern. Sie verfehlen die Reduzierung des Stigmas, das auf den
betroffenen Frauen lastet. Sie ignorieren den Kontext, in welchem
Frauen in die Prostitution einsteigen und in ihr verbleiben. Sie
leisten keine ernsthaften Bemühungen, jene zu unterstützen, die
sich einen Ausstieg wünschen. Stattdessen tragen sie dazu bei, dass
ein permissives Umfeld für Ausbeutung und organisierte Kriminalität
gefördert wird.
Anstatt in Prostitution involvierte
Frauen zu unterstützen, legitimieren die Ansätze der Legalisierung
und Entkriminalisierung ein schädigendes und gefährliches System,
in dem die Ausbeutung eines Teils der Gesellschaft durch einen
anderen nicht nur toleriert, sondern gutgeheißen wird. Das ist nicht
nur für die Frauen in der Prostitution kontraproduktiv, es erzeugt,
fördert und erhält auch die Ungleichheit der Geschlechter, welche
Frauen und Mädchen in der ganzen Gesellschaft erleben. Es geht hier
nicht um eine Frage der Moral. Es geht darum, dass man endlich bei
diesen elementaren Ungleichheiten ansetzt, damit echte
Entscheidungsfreiheit entsteht.
Wir bitten Sie, die Leser, dringlich,
dass Sie sich überlegen, in was für einer Welt Sie leben möchten
und wie Sie möchten, dass Menschen behandelt werden. Ist das Recht,
den Körper eines anderen Menschen zu kaufen und zu benutzen, Teil
dieser Vorstellung? Bitte sehen Sie sich an, was wir im Detail
vorschlagen. Bitte halten Sie auch nach unseren „survivor stories“
Ausschau, die heute beginnen (persönliche Berichte von Frauen, die
aus der Prostitution ausgestiegen sind).
Jacqui Hunt auf Twitter:
www.twitter.com/equalitynow
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