Utagawa Kuniyoshi [Public domain], via Wikimedia Commons |
Die Sexindustrie passt sich immer wieder an und findet ständig neue Rechtfertigungen für die
Prostitution, sobald die vorherigen in der öffentlichen Meinung an
Glaubwürdigkeit verlieren.
So war
beispielsweise lange Zeit von den unbändigen sexuellen Bedürfnissen der Männer
die Rede oder auch von der Unvermeidlichkeit des Systems. Diese Behauptungen
sind durch mehrere Nachbarländer untergraben worden, die sich auf einen
abolitionistischen Ansatz zubewegen – mit überzeugenden Ergebnissen, die
kürzlich bestätigt wurden: Die Männer fielen weder tot um noch litten sie an
Dekompensation aufgrund eines Mangels an Sex; darüber hinaus meiden die
kriminellen Netzwerke diese für jenen Markt nicht mehr lukrativen Länder.
Der neueste Versuch
einer Rechtfertigung erhebt Anspruch auf eine psycho-soziale Rolle der
Prostituierten, die Kunden würden ja auch für Zuwendung und ein offenes Ohr
zahlen.
Und manchmal sogar ausschließlich dafür, sich jemandem anzuvertrauen zu können und Zärtlichkeit zu erfahren.
Und manchmal sogar ausschließlich dafür, sich jemandem anzuvertrauen zu können und Zärtlichkeit zu erfahren.
Dies impliziert,
dass der «Kunde» ein Mann sei, dem es an Liebe mangele oder der von
den Frauen schlecht behandelt werde, ein Opfer (seiner Lebenspartnerin, der
Gesellschaft) … Dabei lässt sich eine Umkehrung der sonstigen Stereotype
beobachten. Die Prostituierte wird definiert als die «gute» Frau,
die Männern über den Schaden hinweghilft, der ihnen von den «bösen»
Frauen zugefügt wurde, von den Nichtprostituierten, den Selbstsüchtigen, die
Männer am liebsten kastrieren würden.
So wird aus der prostituierten Frau die Vertraute und Psychologin (oder gar die Sexualtherapeutin oder Eheberaterin). Doch dieser Anspruch hält einer objektiven und unvoreingenommenen Analyse nicht stand.
So wird aus der prostituierten Frau die Vertraute und Psychologin (oder gar die Sexualtherapeutin oder Eheberaterin). Doch dieser Anspruch hält einer objektiven und unvoreingenommenen Analyse nicht stand.
Zweifellos ließe sie sich lieber dafür bezahlen, so zu tun, als kümmere sie sich um die Seelennöte der Kunden, anstatt deren Körperkontakt und sexuelle Fantasien über sich ergehen zu lassen. Nur leider ist die Wahrscheinlichkeit, von diesen Männern beleidigt oder vergewaltigt zu werden, ins Unermessliche höher. Sie zahlen für ihre sexuelle Befriedigung, für die Bestätigung ihrer Männlichkeit, und, vielleicht noch vor allem anderen, um für eine Weile den Rausch der absoluten Macht zu genießen – aber mitnichten, um sich einer auf ein Lustobjekt reduzierten Frau anzuvertrauen.
Für einige kann die
Prostituierte nur «eventuell» auch diesem Zweck dienlich sein.
Diese Ausflucht ermöglicht es ihnen, die Gewalt des Sexkaufs auszublenden und
sich selbst über die Realität ihrer Handlungen zu täuschen. Diese Klienten
treiben die Abspaltung von ihrem rücksichtslosen Verhalten sowie die Leugnung
dessen auf die Spitze.
Ein Verrichtungsbett
ist nicht die Couch eines Psychoanalytikers, es ist auch nicht die Praxis eines
Psychotherapeuten für kognitive Verhaltenstherapie oder dergleichen, und die
prostituierte Frau kann keinen Therapeuten ersetzen.
Eine Psychotherapie
basiert auf einer Beziehung von Psyche zu Psyche. Der/die TherapeutIn stellt
nur seine/ihre physische Präsenz zur Verfügung, jedoch nie seinen/ihren Körper
selbst.
Das Ziel der
Psychotherapie ist, mittel- bis langfristig, ein schrittweises Erlangen von
Selbständigkeit des Patienten. Die psychische Aufarbeitung wird zwischen den Therapiesitzungen
durch den Patienten weitergeführt; während dieser Zwischenräume kann der
Patient die in den Sitzungen gemachten Erfahrungen nachhaltig verarbeiten und
assimilieren. Die Auswirkungen therapeutischer Vorgänge entfalten sich erst im
Nachhinein. Wenn es auch zu einer unmittelbaren Erleichterung führen kann, so
liegt sein eigentlicher Wert doch in der «Retardwirkung».
Von Sitzung zu
Sitzung und mit fortschreitender Wiederherstellung des Selbst seines/ihres
Patienten muss der/die PsychotherapeutIn seine/ihre eigene Präsenz immer
weniger notwendig werden lassen. Gemeinsam erkennen sie dann den Zeitpunkt für
die Beendigung der Therapie, weil keine weitere Hilfe benötigt wird.
Dagegen versucht die
prostituierte Frau, ihre «guten» Kunden an sich zu binden, jene,
die ruhig sind und weniger verstiegene Forderungen äußern, indem sie sie in dem
Glauben an eine ganz besondere und privilegierte Beziehung zu ihr lässt. Es
handelt sich daher in diesem Fall nicht um eine Therapie, sondern um eine
Täuschung.
Die Psychotherapie
lässt dem Raum, was den Menschen zum Menschen macht, aber oft verdrängt wird.
Dies erlaubt den Impulsen, sich anders auszudrücken als im ausschließlichen und
sofortigen körperlichen Vergnügen, welches lediglich auf die Beseitigung der Anspannung
der Begierde abzielt. Dieser zwanghafte Genuss auf rein körperlicher Ebene, das
unkontrollierte Ausleben der Fantasievorstellungen durch jene Männer, die die
Kunden der Prostitution darstellen, definiert den Prostitutionsakt an sich.
Dadurch erübrigt sich die bereichernde Suche nach dem/der anderen, das
gegenseitige Kommunizieren der Erregung von Körper und Geist in der Verführung
und im symbolischen Sich-Öffnen.
Mit anderen Worten,
die Prostitution beruht auf einer Logik, die der einer Psychotherapie genau
entgegengesetzt ist; denn was sich im Prostitutionsakt abspielt, ist ein
Kontakt zwischen Körpern, dessen Bedeutung nicht über diese kurze Begegnung
hinausgeht. Der Akt der Prostitution dient der Beseitigung einer sexuellen
Spannung auf Seiten des Käufers über die Mechanik der Körper, deren Ziel darin
besteht, den Käufer zur Ejakulation zu bringen.
Die Prostitution
bietet keinen psychologischen Raum für die Hinterfragung des Fortbestehens
dieser sexuellen Spannung, noch des Kontextes, der diese verschärft… Sie stellt
nicht die Rechtmäßigkeit dessen in Frage, dass die Prostitutionskunden ihre
Fantasien ausleben oder die Tatsache, dass diese auf der Missachttung anderer
(zumeist Frauen) beruhen; sie stellt ebenso wenig in Frage, dass jene Fantasien
auf dem Willen beruhen, diese zu unterwerfen, wenn nicht gar zu zerstören.
Beim Kunden wird im
Anschluss an den Prostitutionsakt auch nicht der Wunsch nach einer Veränderung
wachgerufen. Die Wirkungsweise des Prostitutionsakts besteht ausschließlich im
sofortigen Druckabbau, der von Neuem erstrebt wird, sobald die sexuelle
Spannung wieder drängender wird, verstärkt durch die genannten, immer gleichen
und immer wiederkehrenden Fantasien.
Er fühlt sich somit
bestätigt und legitimiert in seinem guten Recht auf ein Ausleben seiner
Fantasien sowie darin, den anderen als sexuelles Ventil für seine seelischen
und körperlichen Störungen zu benutzen. Jeder Besuch entfremdet ihn ein wenig
mehr in seiner entmenschlichten Welt, der er praktisch (heuchlerisch… zynisch) den
Anstrich hedonistischer Freiheit gibt. In jedem Fall ist es ihm egal, welche
Spuren seine sexuelle Entladung auf dem Körper der prostituierten Frau, auf
ihrem eigenen Körperbild und in ihrer Psyche zurücklässt.
Nein, der Kunde hat
nichts von einem Patienten; er will sich nicht behandeln lassen, er will
konsumieren. Die prostituierte Frau dagegen hat nichts von einer
Psychotherapeutin; sie wird benutzt und zum Objekt gemacht, und ein ums andere
Mal ist sie es, die von jenen beleidigt wird, die das Gegenteil behaupten.
Wärmstens empfehlen
wir die Geschichte von Inès (Französisch), die mit analytischer Präzision unter anderem über ihre Erfahrungen in der Prostitution spricht und über jene Kunden, die sich von einer Prostituierten gehört und verstanden wähnen.
Originalquelle: Faut-il vraiment considérer la prostitution comme une activité thérapeutique?
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