»Schmückt Maruschka, schmückt das Mädchen, schmückt das Kind für den Mädchenhändler!«, Rumänisches Volkslied. Karikatur aus dem Simplicissimus. Jules Pascin [Public domain], via Wikimedia Commons |
Stellungnahme
Der jährliche Umsatz aus der Prostitution in Deutschland beziffert sich nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes auf 14,5 Milliarden Euro. In vielen Städten werden prostituierte Frauen pauschal mit 25.-€ pro Tag besteuert. Die Einnahmen des Staates über die Mehrwertsteuer an den in den Bordellen umgesetzten Getränken und „Dienstleistungen“ tragen ebenfalls zum Steuereinkommen des Staates bei. Die Profite aus der Prostitution zählen zum Bruttosozialprodukt. Menschliche Kosten werden nicht abgezogen, die Kosten durch Traumata und Krankheiten derer, die in der Prostitution sind, abgestritten und in vielen Fällen wird sich ihrer zusammen mit den osteuropäischen Frauen entledigt, wenn diese Frauen hier nicht länger ausgebeutet werden können, durch das soziale Netz fallen und zurückgeschickt werden.
Unsere Regierung und weitestgehend unsere Medien ignorieren gezielt die Evaluierung des Schwedischen Gesetzes, die Evaluierung des Norwegischen Gesetzes und international anerkannte Studien zum Zusammenhang zwischen legalisierter Prostitution und Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Die Regierung ist weder bereit, die Gefährdungen der Frauen und anderer anzuerkennen oder anzugehen, die ihre Vermittlung in die Prostitution so einfach machen, noch geht sie auf die Ausbeutung, die Gewalt, die Misshandlungen und die Traumata ein, denen sie ausgesetzt sind.
Im Anschluss an die Anhörung im Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend, bei der keine prostitutionskritischen Stimmen oder Experten angehört wurden, hat die Regierungskoalition vor einigen Tagen das Ergebnis ihres Treffens am 13. August herausgegeben.
Keiner der genannten Punkte wird den Frauen in der Prostitution wirklich helfen. Einigung besteht bei folgenden Punkten:
- Verbot von Flatrate- und Gangbang-Angeboten
- Registrierungspflicht für alle Frauen (und andere) in der Prostitution und
- eine Erlaubnispflicht für Bordelle.
Gruppen, die sich für Menschen in der Prostitution einsetzen, haben diese Schritte aus guten Gründen gefordert. Aber während diese Pläne bereits heftig von den verschiedenen Pro-Prostitutions-Gruppierungen angegriffen werden, fehlen klare Aussagen zu Ressourcen für die Polizei, die Bordelle tatsächlich zu kontrollieren. Es gibt keine Vorschläge dazu, wie Menschenhandel oder Zwangsprostitution begegnet werden soll. Der Plan, das Eintrittsalter zur Prostitution auf 21 anzuheben, wurde wohl fallengelassen, zusammen mit der im Koalitionsvertrag angekündigten Freierbestrafung bei solchen, die „wissentlich und willentlich“ Sex von einer Frau, einem Mann, Trans* kaufen, die Opfer von Menschenhandel sind.
Kondompflicht scheint auch nicht mehr geplant zu sein, Ausstiegshilfen werden nicht erwähnt, und das „eingeschränkte Weisungsrecht“ der Bordellbetreibenden – mit dem sie den Frauen in ihren Bordellen Kleidung, Zeiten und z.T Praktiken wie Oral ohne Kondom vorschreiben können – bleibt unangetastet.
Das Schwedische oder Nordische Modell, dessen Wirksamkeit erwiesen ist, wird nicht einmal entfernt angedacht noch gibt es irgendein Interesse an einem unvoreingenommenen Ansatz.
AbolitionistInnen in Deutschland sind gegen jede Maßnahme, die die Situation der Frauen in der Prostitution verschlechtern. Wir glauben auch nicht an die Möglichkeit der „harm reduction“, der gelungenen Regulierung von Prostitution. Dennoch schockiert uns der mangelnde Wille der Regierung, einen Markt einzubremsen, in dem täglich die Menschenrechte einer riesigen Anzahl von Frauen verletzt werden.
Unser Staat ist zu einem Zuhälter geworden.
Wir wollen davon nicht profitieren. Wir wollen Prostitution abschaffen.
Wir wollen davon nicht profitieren. Wir wollen Prostitution abschaffen.
Das Nordische Modell umfasst:
- Sinnvolle und nachhaltige Unterstützung derer, die aus der Prostitution auszusteigen wünschen
- Gesundheitsversorgung und andere Unterstützung (Schuldenberatung, Therapie, Kinderbetreuung, Ausbildungsmöglichkeiten, Begleitung bei Behördengängen, Vorbereitung auf gerichtliche u.a. Termine...) unabhängig vom Ausstiegswunsch. Die Unterstützung muss niedrigschwellig und umfassend und auf die individuellen Bedürfnisse zugeschneidert sein.
- Ein vollständiges Verschwinden jeglicher Sanktionen, die auf den „Verkaufenden“, den prostituierten Personen lasten, unabhängig vom Geschlecht – in Deutschland ist dies im Gegensatz zu den Anpreisungen des ProstG von 2002 nicht gegeben, siehe Sperrgebiete. Wir legen nahe, das „Schwedische Modell“ in diesen umzusetzen, wenn man schon auf Gesamtebene nicht dazu bereit ist.
- Schulung von Polizei und Sozialdiensten zur Umsetzung des Gesetzes; enge Zusammenarbeit zwischen Sozialdiensten und Polizei.
- Aufklärung und Kampagnen in der Gesamtgesellschaft und an Schulen zu gleichberechtigtem Zusammenleben und gleichberechtigten Umgang mit Sexualität.
- Verbot von Bordellbetrieb und Zuhälterei.
- Strafbarkeit des Kaufs des sexuellen Zugangs zum Körper Anderer.
Unsere Forderungen
http://www.abolition2014.blogspot.de/2014/08/abolition-2014-positionspapier.html
Links zu den Zahlen zu Umsatz und zu Menschenhandel
Welt investigativ:
http://investigativ.welt.de/2013/11/03/black-box-prostitution/
Does legalized prostitution increase human trafficking? (Dreher, Cho, Neumayer)
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0305750X12001453
Seo-Young Cho (Universität Marburg): “Liberal Coercion? Prostitution, Human Trafficking and Policy”
http://www.uni-marburg.de/fb02/empinsti/research/papers?set_language=en
Richard Poulin (Universität Ottawa): Globalization and the Sex Tade: On the Commodification of Women and Children.
http://sisyphe.org/spip.php?article965
Max Waltman (Universität Stockholm): Abstract zu Prohibiting Sex Purchase and Ending Trafficking: The Swedish Prostitution Law
http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1966130
Beiträge von Max Waltman bei Prostitution Education and Research (ohnehin eine der besten Quellen für Informationen).
http://prostitutionresearch.com/pub_author/max-waltman/
Weiterer Kommentar zu dem Gesetz:
Lea Ackermann in der Neuen Osnabrücker Zeitung
http://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/498993/lea-ackermann-gesetz-zur-prostitution-ist-unzureichend
Unsere Stellungnahme zur Anhörung im Bundestag mit weiteren Links:
http://www.abolition2014.blogspot.de/2014/07/einseitige-anhorung-im.html
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