Die im Rahmen
der Gesetzesevaluation durchgeführten
Befragungen der prostituierten Personen durch das unabhängige
Forschungsinstitut Vista Analyse AS haben zu folgenden zentralen
Ergebnissen bezüglich der Lebenssituation von Frauen (und Männern) in
der Prostitution geführt.
Der Zweck des
Gesetzes besteht in der Änderung von
Einstellungen, der Verringerung der Nachfrage und der Stärkung von
Maßnahmen
gegen den Menschenhandel. In diesem Kapitel liegt der Augenmerk auf den
wirtschaftlichen Bedingungen, den Arbeitsbedingungen und dem Risiko
Gewalt und
Schikane ausgesetzt zu sein.
Diejenigen,
die Sex verkaufen, sei es in der Straßenprostitution oder in der
Innenprostitution,
tun dies aus wirtschaftlichen Gründen. Weibliche Drogenabhängige
verkaufen Sex,
um ihren Drogenkonsum zu finanzieren. Ausländische prostituierte
Personen verkaufen
Sex, um Schulden bei Hintermännern zu tilgen und/oder um ihre Familien
in Norwegen
oder im Heimatland zu versorgen. Für ausländische Frauen, die von ihren norwegischen
Ehemännern geschieden wurden, bietet sich in vielen Fällen Prostitution
als einzige
Möglichkeit an, um sich ernähren zu können. Es gibt auch eine Gruppe
norwegischer
und ausländischer Frauen und Männer, die sich selbst dafür entschieden
haben, als
prostituierte Personen in Norwegen zu arbeiten. Ein hoher Anteil von
ihnen verfügt
über alternative Einnahmequellen, von denen manche auch anderen
Arbeiten nachgehen.
Laut Norli
(2006) leisten die meisten Personen mit ausländischer Herkunft
Zahlungen an einen
Dritten, und viele sind auf die eine oder andere Weise in ihrer
persönlichen Freiheit
eingeschränkt. Dies gilt auch für Frauen aus Ländern mit visumfreiem
Zugang nach
Norwegen.
Das
Gesetz hat zu einem verringerten Gesamtumsatz in Norwegen beigetragen
Das
gesamte Einnahmepotential für die Prostitutionsausübung in Norwegen hat
sich
verringert. Ohne Sexkaufgesetz und ohne Anwendung der beiden anderen
Gesetze
hätte es vermutlich mehr prostituierte Personen im Markt und auch mehr
Opfer
des Menschenhandels in Norwegen gegeben. Dies hätte in dem Markt zu
erhöhter
Konkurrenz geführt.
Befragungen der
Initiativen/Organisationen und von Prostituierten zeigen eine äußerst
kritische
Einstellung zur Operation der Polizei Oslo «Operation Husløs (siehe
Kapitel 6),
weil diese Operation angeblich die Mietkosten für die Prostituierten
und auch das
Risiko erhöhe, dass Prostituierte aus ihren Wohnungen
hinausgeworfen werden. Die
Polizei weist ihrerseits darauf hin, dass der Markt in erster Linie aus
reisenden
Prostituierten bestehe, die nur für kurze Dauer in Oslo seien, sodass
auch nicht
deren Zuhause von der «Operation Husløs» betroffen sei. Die
«Operation Husløs» ist ungeachtet dessen nicht im Sexkaufgesetz
begründet.
Die Operation begann lange vor Inkrafttreten des Sexkaufgesetzes und
kann nicht
als Wirkung des Gesetzes angesehen werden.
Käufermarkt auch
bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes
Die erhöhte
Konkurrenz hat lange vor der Einführung des
Sexkaufgesetzes einen „Käufermarkt“ (Markt des Freiers) geschaffen. Der
Markt
des Freiers ist in erster Linie eine Folge der erhöhten internationalen
Konkurrenz im norwegischen Markt und in wesentlich geringerem Maße die
Folge
einer schwächeren Nachfrage. Die verringerte Nachfrage hat hingegen
dazu
beigetragen, dass im norwegischen Markt Platz für weniger Personen ist.
Die Zunahme der
Anzahl thailändischer Frauen bei
Initiativen/Hilfsorganisationen ist darauf zurückzuführen, dass der
Markt für
Massageinstitute immer schwieriger geworden ist.
Den
Initiativen/Organisationen zufolge gibt es weniger
Kunden seit der Einführung des Gesetzes und dadurch mehr
Menschenhandelsopfer,
die ihre Schulden nicht mehr bedienen können. Dies bewirkt, dass sie
sich in
höherem Maße der unterschiedlichen Hilfsmaßnahmen bedienen, was
wiederum die
Möglichkeit zur Aufdeckung des Menschenhandels erhöht.
Menschenhandel
ein Teil des Prostitutionsmarktes
Ein Bericht
der Koordinationsabteilung für die Opfer des Menschenhandels (KOM) von
2012 zeigt,
dass die Zahl der Opfer des Menschenhandels in Norwegen zum Zwecke der
Prostitution
2007 bei 162 Personen lag und sich 2008 auf 180 erhöhte. 2009 hatte
sich die Zahl
dieser Opfer auf 198 erhöht, um dann 2010 leicht auf 194 und 2011 auf
187 zu fallen.
2012 erhöhte sich diese Zahl auf 239.
Nadheim
schreibt im Jahresbericht von 2006, dass gegen Ende
2006 deutlich hervorgetreten ist, dass viel mehr ausländische Frauen
von kriminellen Netzwerken ausgebeutet werden, als wir geglaubt hatten.
Wir nehmen
jetzt an, dass die Mehrheit der ausländischen Frauen, die wir
antreffen, Menschenhandel
ausgesetzt ist oder war, wenn wir die Definition von Menschenhandel von
Paragraph
224 des Strafgesetzes zugrunde legen.
Die Antriebskräfte hinter dem Menschenhandel
werden
gerne in Pull- und Push-Faktoren (ILO 2003) aufgeteilt:
Push-Faktoren:
- Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und Ethnizität
- Feminisierung von Armut und Migration
- Zunehmender Materialismus und Wunsch nach einem besseren Leben
- Hohe Toleranz und Akzeptanz für Gewalt gegen Frauen
- Ineffiziente Gesetzgebung und fehlende Anwendung der bestehenden Gesetze
- Mangelnder Respekt vor Menschenrechten
Pull-Faktoren:
- Wachstum des informellen Arbeitsmarktes
- Menschenhandel ist mit geringem Risiko und hohem Verdienst verbunden
- Das Fehlen einer effizienten Gesetzgebung und mangelnde Anwendung bestehender Gesetze
- Diskriminierende sozio-kulturelle Praxis gegenüber Frauen und ihren Lebensumständen
- Mangelnder Respekt vor Menschenrechten
Das Risiko bei prostitutionsbasierten
Menschenhandel hat sich in Norwegen infolge des Sexkaufgesetzes mit
dazu
gehörender Anwendung erhöht, während sich der Verdienst gleichzeitig
verringert
hat. Das Gesetz hat mit anderen Worten wichtige Pull-Faktoren
beeinflusst und vermutlich
dadurch den Umfang des Menschenhandels nach Norwegen im Verhältnis zu
dem, was
ansonsten der Fall gewesen wäre, verringert. Die Kombination aus
Sexkaufgesetz
und Verbot von Zuhälterei und Menschenhandel schwächt die zentralen
Zug-Faktoren für prostitutionsbasierten Menschenhandel nach Norwegen ab.
Für die Frauen und Männer,
die prostitutionsbasiertem Menschenhandel ausgesetzt und bereits in
Norwegen sind,
ist das Sexkaufgesetz in erster Linie in der Form von Bedeutung, dass
es der Polizei
bessere Möglichkeiten zur Aufdeckung von und Ermittlung in Fällen von
Menschenhandel
gibt. Die Überwachung des Marktes durch die Polizei kann auch dazu
beitragen, die
Prostituierten, die im Markt sind, abzusichern.
Eine geschwächte Nachfrage
und erhöhte Kosten infolge einer aktiven Anwendung des
Zuhältereiparagraphen verringern
die Einnahmen, wodurch es schwieriger gemacht wird, Schulden bei
Hintermännern zu
tilgen. Dies kann dazu beitragen, dass mehr Frauen um Hilfe ersuchen.
Dies wiederum
kann dazu führen, dass die Schulden herabgesetzt werden, um die Frauen
in die Lage
zu versetzen, diese Schulden zu bedienen. Damit soll vermieden werden,
dass sie,
um aus ihrer Situation herauszukommen, Hilfe suchen oder annehmen. Es
liegen Informationen
vor, die darauf hindeuten, dass sich die Zahlungen, um nach Norwegen
kommen zu dürfen,
verringert haben.
Ein schwieriger Markt
infolge verringerter Nachfrage und schwierigerer Verhältnisse im Miet-
und
Hotelmarkt erhöht die Schwelle für den Einstieg in die norwegische
Innenprostitution. Auch dies trägt zu weniger Opfern des
Menschenhandels in
Norwegen bei.
Gewalt – Teil des
Prostitutionsmarktes
Befragungen von Personen,
die im Markt tätig sind, zeigen, dass manche die heutige Lage als
unsicherer
als früher empfinden. Andere meinen, dass das Gesetz die Kunden
vorsichtiger
gemacht habe, weil sie wegen Sexkaufs angezeigt werden könnten, sofern
sie
nicht bezahlen oder Gewalt ausüben.
Informationen aus der
Innenprostitution zeigen, dass manche die Preise hoch halten, um
schwierige
Kunden zu vermeiden. Es werden Erfahrungen wiedergegeben, nach denen
niedrige
Preise zu „schlechteren“ Kunden führen. Sollten
niedrigere Preise zu einem erhöhten Anteil an Kunden geführt haben, der
zur
Gewaltanwendung neigt, ist dies eine Wirkung der Marktsituation in der
EU und
keine Wirkung des Sexkaufgesetzes.
Für den Zeitraum
2000-2002, als der Prostitutionsmarkt in Norwegen zumeist noch aus
norwegischen, weiblichen Drogenabhängigen bestand, wird ein
Arbeitsalltag
beschrieben, in dem Gewalt und Drohungen keineswegs ungewöhnliche Kost
waren
(Utekontakten, 2002). Für 79% dieser Tätlichkeiten waren Sexkäufer
verantwortlich.
Die Studien
von Pro Center von 2007/2008 und von 2012 bestätigen frühere Studien,
nach denen
Prostituierte eine durch Gewalt gefährdete Gruppe sind. Die Studien
liefern dagegen
keine ausreichende Grundlage dafür, um die in den Prostitutionsmilieus
vor und nach
Einführung des Sexkaufgesetzes vorkommende Gewalt miteinander
vergleichen zu können,
und noch weniger eine Grundlage dafür, die es ermöglichen würde,
eventuelle Wirkungen
zu bewerten, die das Sexkaufgesetz auf diesen Bereich hatte.
Utekontakten in Bergen (02/10)
hat durch ein umfangreiches Untersuchungsprojekt die örtlichen
Konsequenzen des
Sexkaufgesetzes in Bergen bewertet. Gewalt ist zentraler Bestandteil
der Untersuchung.
Der Bericht kommt zu der Schlussfolgerung, dass keine Änderungen an dem
gegen
die Frauen in der Prostitution gerichteten Umfang der Gewalt zu Tage
treten.
Hält man sich illegal in
Norwegen auf wird die Hemmschwelle Gewalt anzuzeigen hoch sein. Manche
verzichten auf eine Anzeige, da sie den Verlust ihrer Wohnung
befürchten,
während wiederum andere negative Erfahrungen mit der Polizei in ihrer
Heimat-
oder in einem anderen Land gemacht haben und es daher nicht wagen,
Anzeige zu
erstatten.
Raub und Erpressung sind
eine Form der im Prostitutionsmarkt vorkommenden Gewalt. Das Risiko
dafür, dass
man beraubt oder Geld oder sonstige Wertsachen anderweitig entwendet
werden,
bildet einen zentralen Faktor in der Lebenssituation derjenigen, die in
der
Prostitution tätig sind. Diese Art von Vorkommnissen und Risiken wurde
auch
2002 beschrieben. Damals wie heute wurde/wird darauf hingewiesen, dass
die
Hemmschwelle, Gewalt gegen prostituierte Personen anzuzeigen, hoch ist.
Nach Vista Analyse gibt
es keine Grundlage, um sagen zu können, ob die Gewalt infolge des
Sexkaufgesetzes
zugenommen oder abgenommen hat. Es wird der Eindruck vermittelt, dass
weniger Personen
Anzeige erstatten. Zur Bewertung, inwieweit dies gegebenenfalls durch
das Sexkaufgesetz
oder durch eine geänderte Zusammensetzung mit einem höheren Anteil
prostituierter
Personen aus Gruppen, die aus anderen Ursachen keinen Kontakt zur
Polizei haben
möchten, bedingt ist, fehlt uns die Grundlage. Dagegen ließ sich
untermauern, dass
die Zahl derer, und dabei insbesondere prostituierte Personen auf dem
Straßenstrich, zugenommen hat, die seit Einführung des Sexkaufgesetzes
eine größere
Unsicherheit empfinden.
Die meisten Informant/innen von
Initiativen/Organisationen sagen, dass sie nicht den Eindruck haben,
dass die Gewalt
gegen prostituierte Personen nach Einführung des Sexkaufgesetzes
zugenommen
hat. Manche erleben es, dass prostituierte Personen Gewaltdelikte in
gleich
hohem Maße wie vor dem Gesetz bei der Polizei anzeigen, während andere
den Eindruck
haben, dass sich die Hemmschwelle für eine Anzeige erhöht hat. Das
Gesetz ist
nicht Bestandteil des Alltags der prostituierten Personen, da viele
nicht in Norwegen
waren, bevor das Gesetz verabschiedet wurde.
Arbeitsbedingungen von prostituierten
Personen nach dem Sexkaufgesetz
Es gibt in erster Linie vier
Änderungen in den Arbeitsbedingungen, die nach Ansicht der Frauen in
der Prostitution
dem Gesetz zugeschrieben werden können:
1) geringere Verhandlungsmacht
auf dem Straßenstrich,
2) nervösere Kunden, von denen
ein höherer Anteil auf dem Straßenstrich als rüder erlebt wird,
3) dass die Kunden weniger
Zeit haben
4) mehr feste Kunden
Während sich die ersten beiden
Änderungen auf schlechtere Arbeitsbedingungen beziehen, werden die
letzten beiden
Änderungen als positiv empfunden. Von der Innenprostitution wird darauf
hingewiesen,
dass es durch die Anwendung des Zuhältereiparagraphen in Kombination
mit der Jagd
auf Sexkunden schwieriger werde, in größeren Einheiten oder in
Massageinstituten
zu operieren.
Tveit und Skilbrei (2008)
zeigen jedoch, dass es auch schon vor Einführung des Sexkaufgesetzes
schwieriger
war gemeinsam in größeren Einheiten zu arbeiten und die meisten in der
Innenprostitution
daher allein arbeiteten, eventuell noch zu zweit oder zu dritt – im
Prinzip
behinderten die Behörden bereits seit den 70er Jahren durch
verschiedene
Maßnahmen größere Einheiten organisierter Bordellbetriebe. Es ist
deutlich, dass
die Bedingungen für Bordellbetriebe und die Organisation dieser Form
von Betrieben
schwieriger werden und schlechtere Erträge für Zuhälterei und
prostitutionsbasierten
Menschenhandel in Norwegen ergeben.
Erfahrungen und Dokumentationen
von Instituten, Bordellen und organisierten Wohnungen zeigen starke
Unterschiede
in Arbeitsverhältnissen. Dabei geht es darum, inwieweit jene, die
innerhalb dieser
Art von Einheiten arbeiten, mit Kontrollmechanismen überwacht werden,
und wie hoch
der Anteil am Verdienst ist, den die einzelnen Prostituierten behalten
dürfen. Obwohl
sie allein bessere Bedingungen innerhalb eines organisierten Betriebes
erzielen
könnten, würde eine passivere Anwendung des Zuhältereiparagraphen jenen
Instituten
größere Spielräume eröffnen, in denen Frauen und Männer ausgebeutet
werden.
Frauen auf dem
Straßenstrich berichteten, wie die Polizei sie durchsucht und damit
konfrontiert habe, eine große Anzahl Kondome dabei zu haben – was
angeblich
beweise, dass sie in der Prostitution tätig seien (Nadheim, 2013). Das
Ergebnis
ist, dass die Frauen nicht die eigentlich wünschenswerte Anzahl von
Kondomen
von Initiativen/Organisationen annehmen möchten. Dies bedeutet ein
potentiell
höheres Gesundheitsrisiko für die prostituierten Personen. Nadheim
berichtet
auch über Hotelketten, die Frauen bestimmter Nationalität den
Hotelaufenthalt
verweigern.
Wenn es
für die prostituierten Personen schwieriger wird, Zimmer/Räumlichkeiten
selbst anzumieten,
werden sie abhängiger davon, dass andere den Betrieb organisieren und
Wohnungen/Räume
für sie finden. Dies kann mit der Zeit dazu beitragen, die Abhängigkeit
zwischen
den einzelnen Prostituierten und dem Apparat der Hintermänner zu
verstärken.
Generell sind die Arbeitsbedingungen
von Frauen in der Prostitution durch extrem wenige Rechte
gekennzeichnet. Viele
empfinden die Prostitution als einzige Alternative in ihrer aktuellen
Lebenssituation,
obwohl die Mehrheit der prostituierten Personen sich einen anderen
Alltag wünscht.
Ein hoher
Anteil der prostituierten Personen befindet sich in einer schwierigen
wirtschaftlichen
Lage, in der sie von einem Netzwerk von Hintermännern ausgebeutet
werden. Manche
sind auch unterschiedlichen Kontrollmechanismen, Drohungen gegen ihre
eigene Person
oder ihre Familie im Heimatland ausgesetzt. Ohne Rechte auf einen
Aufenthalt oder
eine Arbeit in Norwegen oder in anderen europäischen Ländern ist der
Weg aus der
Prostitution heraus äußerst schwierig. Die Initiativen/Organisationen
haben auch
nur begrenzte Mittel im Hinblick darauf, Frauen ohne Aufenthalts- und
Arbeitserlaubnis
in Norwegen zu helfen, alternative Einnahmequellen zu finden. Durch das
Sexkaufgesetz
haben Personen in der Prostitution aber einen rechtlichen Schutz gegen
die Kunden
erhalten.
Mangelnde Alternativen
Es fehlt an Alternativen zur
Prostitution. Rechte
hat man erst, wenn man als Opfer des
Menschenhandels identifiziert wurde. Häufig nehmen die Frauen Kontakt
auf, weil
sie mit jemandem reden möchten.
Die Frauen
wenden sich auch an die Hilfsorganisationen, weil sie ärztliche Hilfe
oder Hilfe
gegenüber den Behörden benötigen. Mitarbeiter
im Hilfsapparat, die einen Weg aus der Prostitution heraus anbieten,
haben es noch
niemals erlebt, dass jemand in der Prostitution bleiben möchte. Es
gibt zum
Beispiel keine Opfer von Menschenhandel, die das Angebot der
Reflektionszeit
(Bedenk-/Erholzeit) ablehnen. Es besteht der starke Wunsch danach, sich
wieder wie
ein Mensch fühlen zu dürfen. Prostituierte zu sein, ist ein hartes
Leben, sowohl
physisch als auch psychisch. Unterleibsbeschwerden, sexuell
übertragbare Krankheiten
und Drohungen sind ein Teil des Alltags, obwohl die Frauen alles tun,
was sie können,
um auf sich aufzupassen. Es gibt Stimmen
von Seiten der Initiativen/Organisationen, die sagen, dass sie sich in
der von
norwegischen prostituierten Personen in den Medien skizzierten
Wirklichkeit nicht
wiedererkennen würden.
Ein gemeinsamer
Nenner unter den Akteuren auf Seiten der Initiativen/Organisationen
besteht
darin, dass sie sich mehr Ressourcen in Zusammenhang mit den Maßnahmen
gegen Prostitution
und Menschenhandel wünschen. Es besteht der Wunsch nach langfristigeren
Bewilligungen
und mehr Ressourcen für die Polizei, da manche Fälle von Menschenhandel
entweder
nicht bis zur Ermittlungsphase gelangen oder eingestellt werden. Auch
die Initiativen/Organisationen
berichten, dass der Markt auf den Einsatz der Staatsanwaltschaft und
der Polizei
reagiert. Der Markt ist leicht beeinflussbar durch
Urteilsentscheidungen und Signale.
Ein geringeres Augenmerk auf ein Milieu bedingt, dass dessen Anteil im
Markt aufblüht.
Diese Maßnahmen zeigen Wirkung:
Qualifizierende Maßnahmen wie
Sprachkurse, Schreibkurse und Maßnahmen in Bezug auf Arbeitsmarkt und
Ausbildung wie das ADORA-Projekt (in Zusammenarbeit mit der Tone-Lise
Gruppe)
funktionieren gut. Norwegischkurse werden durch viele als Schlüssel zu
anderen
Arbeitsmöglichkeiten in Norwegen bewertet. Ausbildung ist ein wichtiges
Mittel
für Frauen, die aus der Prostitution aussteigen wollen. Auf diese Weise
haben
die im Kielwasser des Sexkaufgesetzes bewilligten Mittel einen deutlich
positiven Effekt erzielt. Die mentale Gesundheit der Prostituierten
verbessert
sich durch diese Maßnahmen. Sie geben ein Gefühl, Problemen aktiv
angehen zu
können und tragen dazu bei, die Frauen psychisch aufzubauen.
Praktikumsplätze
in den Bereichen Reinigung und Kantine erzielen ebenfalls positive
Wirkungen.
Wenn identifizierte Opfer von Menschenhandel nicht vor Gericht landen
und
deshalb in ihre Heimatländer zurückreisen müssen, verfügen sie über
Papiere,
die sie von ihrem Aufenthalt in Norwegen vorweisen können. Auf diese
Weise
entgehen sie auch im Heimatland dem mit der Prostitution verbundenen
Stigma.
Andere positive Maßnahmen im Gefolge der nach Einführung des
Sexkaufgesetzes
bewilligten Mittel sind kommunale Wohnungen, die
in der Reflektionszeit zur Verfügung
gestellt werden (zum Beispiel in Stavanger).
Zusammenfassung
Das Sexkaufgesetz
hat zu einem höheren Risiko für den Kunden geführt, und dies hat sich
in einer schlechteren
Verhandlungssituation für Prostituierte auf dem Straßenstrich
niedergeschlagen,
die jetzt eine raschere Entscheidung darüber treffen müssen, ob sie mit
dem Kunden
zusammenbleiben möchten oder nicht. Die Arbeitsbedingungen in der
Straßenprostitution werden daher als härter und unsicherer empfunden.
Nervösere
Kunden führen auch dazu, dass sie weniger Zeit haben und mehrere von
ihnen feste
Anbieter/innen vorziehen. Dies wird von prostituierten Personen als
positiv empfunden.
Durch
die Anwendung des Sexkaufgesetzes in Kombination mit dem
Zuhältereiparagraphen ist
es für Männer und Frauen in der Prostitution schwieriger geworden,
selbst einen
geeigneten Ort für den Verkauf sexueller Dienstleistungen zu finden.
Dies kann zu
mehr Abhängigkeit von Hintermännern führen und die Möglichkeit
verringern, von einem
Ort aus gemeinsam mit (vielen) anderen Prostituierten zu arbeiten.
Bemerkenswert
ist, dass Tveit und Skilbrei (2008) eine Situation beschrieben haben,
in der Prostituierte
von großen zu kleinen Einheiten wechselten, wo sie in höherem Maße als
früher allein
arbeiteten – auch schon vor Inkrafttreten des Sexkaufgesetzes. Die
Präferenzen der
Kunden und die Anwendung des Zuhältereiparagraphen werden als
wichtigste Erklärungsfaktoren
für diese Entwicklung herangezogen.
In Bezug
auf das Risiko, Gewalt und Schikane ausgesetzt zu sein, verspüren
Frauen in der
Prostitution, insbesondere in der Straßenprostitution, eine zunehmende
Unsicherheit
infolge des Sexkaufgesetzes. Andere weisen darauf hin, dass das
Sexkaufgesetz die
Kunden vorsichtiger gemacht habe, weil sie wissen, dass die
Prostituierten sie wegen
des Kaufs von Sex anzeigen oder der Polizei Hinweise auf konkrete
Prostitutionskunden
geben könnten. Mit einem hohen Anteil an Wiederholungstätern auf der
Käuferseite
trägt das Gesetz diesen Informant/innen zufolge dazu bei, dass die
Kunden sich besser
benehmen, als sie es ansonsten gemacht hätten.
Gewalt ist Bestandteil des
Prostitutionsmarktes. Die Erfahrungen zeigen, dass es immer schon
schwierig war,
die gesamte Gewalt gegen Prostituierte aufzufangen und es viele
Ursachen dafür gibt,
dass Prostituierte Gewalt häufig nicht anzeigen möchten.
Quelle: Vista Analyse AS: Evaluering
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11)
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