Shero Tanja Rahm |
Ich war sehr privilegiert, ein 20-jähriges Mädchen, das sich für
die Prostitution entscheidet, wisst ihr, niemand hat mich gezwungen,
ich hatte keinen Zuhälter, ich nahm keine Drogen und es war meine
Entscheidung, meine ganz alleine.
Ich habe heute nicht vor, über freie Wahl zu sprechen, aber hätte
ich es gemacht, dann hätte ich euch meine Geschichte erzählt, die
Geschichte meiner Kindheit und euch hinterher gefragt, ob ihr immer
noch an freie Wahl glaubt. Aber, darüber möchte ich hier heute
nicht sprechen.
Worüber ich sprechen möchte, ist die Gewalt in der Prostitution.
Ich glaubte, dass ich sowas wie eine Edel-Hure war, ich war nicht auf
den Straßen, nahm keine Drogen, stattdessen arbeitete ich in
Edel-Bordellen und als Escort. Aufgrund dieser Umstände habe ich
mich nicht als Opfer gesehen. Solange nicht, bis ich Depressionen,
Ängste bekam, mich nicht mehr raus traute und dann anfing, Drogen zu
nehmen, alles, das mir half, auszuhalten, eine Prostituierte zu sein.
Ich war nie depressiv gewesen oder hatte irgendwelche Arten von
Ängsten, bevor ich in die Prostitution kam. Stattdessen entstanden
die Depressionen, Ängste und die Kokain-Abhängigkeit aufgrund der
Erfahrungen in der Prostitution.
Heute glaube ich nicht, dass es auch nur irgendeinen Unterschied
zwischen der Straßenprostitution und dem Arbeiten in Edel-Bordellen
gibt. Was du tust und erlebst, ist exakt das Gleiche, ob du nun auf
der Straße aufgegabelt wirst oder in einem Bordell sitzt mit
Spa-Bereich, Seidenbetttüchern und Champagner mit den (Sex-)Käufern
trinkst. Drogen- und Alkoholsucht findest du sowohl in Bordellen als
auch in der Straßenprostitution.
Eigentlich könnte man meinen, dass die Bedrückung auf der Straße einfacher zu verstehen ist, als die, wenn du
Luxus-Unterwäsche trägst, teures Gold und eine Menge Gucci. Weil,
war das nicht einer der Gründe, warum eine in erster Linie in die
Prostitution ging, um all diese Dinge zu bekommen? Du hast jetzt all
das, also warum bist du depri(miert)?
Lass mich euch sagen, warum. Die Männer, die Sex kaufen, sind
alle gleich, egal, ob sie in ein Edel-Bordell gehen oder sich die
Frauen auf der Straße aussuchen. Es sind Männer, die ihre
Bedürfnisse wichtiger finden als die Sicherheit von Frauen. Es sind
Männer, sie mögen großartige Ehemänner sein und Väter für ihre
Kinder, die jeglichen Respekt und jegliche Empathie missen lassen, wenn sie
sich den Zugang zu Frauenkörpern erkaufen. Es sind Männer, die
total anonym bleiben können, weswegen sie keinerlei Verantwortung,
welcher Art auch immer, für ihre Taten empfinden. Faktisch glauben sie, dass es ihnen das Recht gibt, so wenig Respekt wie möglich
zu zeigen. Sie fühlen sich berechtigt, Frauen herabzusetzen und zu
demütigen, die sie bezahlt haben, um ihre sexuellen Bedürfnisse zu
befriedigen. Sie verletzen in vielerlei Weise sowohl physisch,
psychologisch, sexuell, finanziell als auch materialistisch.
Das kann sich durch Beschimpfungen, Beleidigungen, Demütigungen,
Einschüchterungen, bedrohliches Verhalten, eine bedrohliche
Körpersprache ausdrücken und durch einen widerlichen Wechsel
zwischen süß und fürsorglich sein und grob und bedrohlich. Oder
sie drohen dir damit, deine Identität preis zu geben.
Es passiert durch Schubsen und Zerren, Anspucken, in dem Dinge
nach dir geschmissen werden, dadurch, dich zu schlagen oder zu treten
oder indem sie dich an den Haaren ziehen oder dich in Würgegriff
nehmen.
Es passiert, in dem sie dich ins Ohr, die Lippen, die Wangen oder
in die Brustwarzen beißen. In dem sie dich küssen, dein Gesicht
ablecken, versuchen, das Kondom abzuziehen, in dem sie mit Fingern in
dich eindringen, in dem sie mehr tun, als im Vorfeld vereinbart
wurde, in dem sie so heftig in dich eindringen, dass es so körperlich
schmerzt, dass du nicht mehr laufen kannst, dich nach der Toilette
nicht mehr abwischen kannst oder nicht mal mehr Hosen anziehen
kannst.
Es passiert, in dem sie deine Unterwäsche in Stücke
zerschneiden, dir die Strumpfhose vom Körper reißen oder mit
Vorsatz deine Halskette kaputt machen.
Viellleicht will er aber auch nicht den Preis zahlen und er
manipuliert dich systematisch dahingehend, dass du Dinge tust, die du
nicht möchtest oder er manipuliert dich so, dass du ihm einen
Preis-Nachlass gewährst. Du weißt, für ihn ist das kein
menschliches Wesen. Es ist ein Objekt. Und du weißt ja, kriegst du
einen Preis-Nachlass, dann wirst du es natürlich ausprobieren und
bekommen wollen.
Wenn du in der Prostitution bist, dann internalisierst du die
Gewalt. Du hörst die selben widerwärtigen Dinge immer und immer
wieder, wenn du eine Schlampe genannt wirst, eine Hure oder als doof
oder abartig bezeichnet wirst. Aber immer noch verteidigst du deine
„freie Wahl“ und sagst, dass Prostitution nur eine ganz normale
Arbeit wie jede andere ist, weil Wahrhaben der Wirklichkeit so auslaugend ist. Aber du dissoziierst die Männer und ihre Taten,
weil niemand mit einer Psyche ausgestattet ist, die den Gewalttaten
der Prostitution Stand hält.
Wenn du die Komplexität der Gewalt erkennst, dann verstehst du,
dass Prostitution niemals als Beruf anerkannt sein kann, aber das
Einzige, was zu tun ist, ist, diejenigen zu kriminalisieren, die
Menschen in die Prostitution organisieren, erhalten und in ihr
ausbeuten.
Prostitution und die durch die Prostitution verursachten Schäden
sind überall in der Welt gleich. Die Männer, die Sex kaufen, auch.
Als Menschen von Norwegen, Schweden, Finnland, Deutschland, England,
Schottland, den USA oder aus China, Japan oder jedem anderen Land
nach Dänemark reisten und Sex kauften, machte ich mit allen die
gleichen Erfahrungen wie mit den dänischen Männern, die Sex
kauften. Es gibt da keinen Unterschied zwischen dem einen oder
anderen Land. Sex kaufen bedeutet, dass du dir den Zugang erkaufst,
um in eine andere Person zu masturbieren, die nur da ist, weil sie
das Geld braucht. Und diese Tat ist in sich gewaltvoll.
Was ich aus der Prostitution gelernt habe, ist, dass ich Männern
nicht vertrauen kann. Sie hatten versteckte Persönlichkeiten, und
die Schlimmsten wurden mir als Prostituierter gezeigt, all ihre
Gewaltfantasien, ihre pädophilen Fantasien, ihre Wut, ihre
Respektlosigkeit, ihr herablassender Blick auf mich, die
Prostituierte ist. Die Art und Weise, wie sie nicht einmal versucht
haben zu verbergen, was sie von mir dachten, die meisten gaben es
mir, in der Tat, direkt zu verstehen.
Sie starteten immer wieder Versuche, meine Grenzen zu
überschreiten, nur, weil sie es konnten. Nur, um mir zu zeigen, wie
wenig Respekt sie hatten.
Menschen fragen mich immer, wie eine Kriminalisierung der Käufer
mir möglicherweise geholfen hätte, als ich noch in der Prostitution
war.
Lass es mich euch sagen, wenn es ein Verbrechen gewesen wäre,
Frauen zur sexuellen Befriedigung zu kaufen, dann hätte ich gewusst,
dass das, was diese Männer taten, falsch ist. Für lange Zeit habe
ich mich selbst verantwortlich gemacht, ich habe gedacht, dass es
mein eigenes Verschulden war. Ich habe mich dazu entschlossen,
Prostituierte zu sein. Ich habe ihnen die Möglichkeit gegeben, mich
zu kaufen. Ich habe ihr Geld genommen. Wie könnte ich sie
verantwortlich machen? Wie könnte ich jemand anderen als mich dafür
verantwortlich machen?
Ich bin mir sicher, dass ich die Prostitution früher verlassen
hätte, wenn ich das Recht auf meiner Seite gehabt hätte. Weil ich
dann gewusst hätte, dass das, was diese Männer tun, falsch ist. Ich
habe die Schuld für die zahlreichen Angriffe auf mich genommen. Ich
habe es so empfunden, dass ich mich selbst in diese Situation
gebracht habe und dass ich sie deshalb nicht zur Verantwortung ziehen
kann. Es gab dort keine Untertsützung oder Hilfe hinsichtlich
Ausstieg, deswegen bin ich mir abolut sicher, dass ein Sexkauf-Verbot
mir geholfen hätte und dass es ein klares Signal gewesen
wäre, dass die Taten der Käufer falsch sind. Es nützt nichts,
Prostitution liberal zu betrachten, wenn wir zeitgleich Frauen helfen
möchten, aus der Prostituon auszusteigen.
Wie sollen Prostituierte jemals dazu in der Lage sein, ihre Augen
vor den gewaltvollen Strukturen der Prostitution zu öffnen, wenn die Einordnung der Prostitution als gewaltvoll und schädigend nicht sozial und politisch unterstützt wird?
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