Roswitha Reger aus dem AK Stop Sexkauf in München hat einen offenen Brief an DIE LINKE geschrieben, den wir mit freundlicher Genehmigung veröffentlichen:
In LOTTA/Linke abgedruckt, behauptet Möhring:
"Sexarbeiterinnen haben sich bewußt für diese Arbeit entschieden." Das weiß sie also?
Ausgerechnet die Linke hat kein bißchen menschliches Gespür oder
Klassenbewußtsein für die Frauen aus dem Armenhaus Europas, die hier
ihre Haut zum Markt tragen. Für die wohlhabenden privilegierten Männer
in Deutschland alle ihre Körperöffnungen zur Verfügung stellen - natur
natürlich, d.h. ohne Kondom, alle Öffnungen - vaginal, oral, anal -
heutzutage alles im Preis, steht in jedem Bordellangebot, zum Besamen,
Bepissen, Faustficken, GangBang - natürlich alles völlig freie weibliche
Sexualität.
Teenyland Köln - auch das Angebot könnt Ihr im Internet überprüfen - hat
nur ganz junge Prostituierte, Anfängermäuschen, Zahnspange, Lolita, die
grade 18 Jahre alt geworden sind. So schaut die Werbung aus. Und damit
der Kunde sich wie Alice im Wunderland fühlen kann, gibt es
Themenzimmer, rosa Prinzessinnenzimmer und einen Schulklassenraum. Das
ist dann bei Frau Möhring die frühe weibliche Sexualität?
Schöner kann mit sexuellem Mißbrauch doch gar nicht gespielt werden.
Ausserdem schreibt sie: Das Gesetz (Neuformulierung des Prostitutionsgesetz bezüglich Anmeldung des Gewerbes) "bildet
damit nicht nur einen direkten Angriff auf Sexarbeiterinnen, sondern
setzt Maßstäbe, was weibliche Sexualität sein und wo sie stattfinden
darf - gegen Bezahlung oder ohne."
Wie kommt sie denn drauf, dass weibliche Sexualität was mit Bezahlung zu
tun hat? An Eure frauenpolitische Sprecherin, Frau Möhring: mit
Frauenkörpern können Geschäfte gemacht werden - aber weibliche
Sexualität findet in der Prostitution nicht statt. Weibliche Sexualität
findet in der Prostitutierung von Frauen grundsätzlich nicht statt -
auch wenn Prostituierte als beruflichen Trick häufig die Stöhnnummer
machen, damit der Kerl sich schneller wieder verzieht und ihm nicht
sonst was noch einfällt. Zahlen müssen die Freier als Entschädigung für
von den Frauen garantiert nicht gewollte sexuelle Handlungen. Für
Übergriffe. Für Traumatisierung und Leid. Weibliche Sexualität hat
nichts mit Geld, Geschäft oder kapitalistischer Verwertung zu tun. Und
was hat weibliche Sexualität mit der Anmeldung des ProstitutionsGewerbes
zu tun?
Es gibt Profiteure dieser Freiwilligkeits-Ideologie - die
BordellbetreiberInnen, die gesamte Pornoindustrie, die Mafia, die
Zuhälter usw.
Könnt Ihr Euch vorstellen, daß Ihr eines Tages gefragt werdet, ob Ihr
das alles nicht gewußt habt - welche Blüten die neoliberale
Verwertungsideologie im Kapitalismus treibt, und wie die Linke dies
bejubelt hat? Und wie Ihr die Verhältnisse aus Euren Büros betrachtet
und dabei nichts seht? Ihr sollt Euch nicht von der
Prostitutionsindustrie einwickeln lassen (siehe Prostitutionstage),
sondern mal in die Bülowstrasse gehn oder nach Dortmund Nord, oder wie
wäre es mit Plauen? Bei der Atomlobby trübt es ja auch den Blick, wenn
man nur mit den Lobbyisten rumhängt.
Das "deutsche Modell" mit der Legalisierung von Zuhälterei und
Prostitutionsindustrie ist der legale und von Euch verteidigte Rahmen
für die tausendfache Ausbeutung von Frauen aus Armutsverhältnissen. Für
das Geschäft mit dem Frauenkörper. Für die Verachtung der
Menschenrechtserklärung, die Prostitution eindeutig als Verletzung der
Menschenrechte benennt. Ihr werdet Euch noch schämen müssen, für diese
durchschaubare Männerphantasie - dass diese Frauen ihre Körper mit Lust
verkaufen wollen. Aber schlimmer noch - die Armutsprostitution ist
nichts anderes als moderne Sklaverei. Wie lange kann eine Zeitung oder
eine Partei Ideologie verzapfen, bevor sie einmal wirklich recherchiert?
Wenn es doch nur die sexuelle Befreiung ist - dann mietet euch doch
wenigstens für eine Woche für ein Recherchenpraktikum in einem Bordell
ein - und denkt dran, unter 7 Freier pro Tag verlasst ihr das Haus mit
Schulden beim "Vermieter". Da sind Extra-Einnahmen, z.B. 30 Euro für
Sperma-Schlucken, 50 Euro für Faust-Ficken (also wer es da nicht schafft
den Frauen wirklich weh zu tun) schon notwendig. Faustficken steht nun
mal auf den Preislisten der Bordelle. Weil dort nämlich das gemacht
wird, was der Freier kauft und grade nicht, was die Frau will. Oder
stellt Euch an die Straße an der tschechischen Grenze und macht die
Augen auf.
Wo bleibt eigentlich die internationale Solidarität mit den rumänischen
Frauen in Deutschland. Und ist dies die Form des Überlebens, mit der Ihr
Frauen, die aus größter Not hierher kommen, willkommen heißt?
Im Kopf von Frau Möhring ist Prostitution sexuelle Befreiung. In
Wirklichkeit kommen die Frauen zu 95% aus dem Armenhaus Europas und sind
in keiner Weise frei zu wählen, auch dann nicht, wenn sie nicht mit
vorgehaltener Pistole gesetzlich relevant zwangsprostituiert werden. Die
Armut ist der Zwang, und die Familie, die was zum Essen braucht. Und
der Markt in Deutschland, die Nachfrage nach Frischfleisch zum
Billigtarif.
Die pseudolinke Ideologie von Möhring paßt nicht zu den betroffenen
Menschen. Ein Blick auf die Lebensumstände und die Kultur, aus der die
Frauen kommen, könnte hilfreich sein. Vielleicht solltet Ihr Euch mal
mit den Realitäten in der Prostitution auseinandersetzen. Ein Blick in
"Freier-Foren" z.B. wäre sinnvoll - den Eimer neben dem Bürostuhl nicht
vergessen! Dort sind menschliche Wesen benutzbare Körperöffnungen und
Sklavinnen, darüber hinaus könnt ihr viel Rassistisches, Sexistisches
und Frauenverachtendes frei geäussert lesen. Alles legal, gibts keinen
Diskriminierungsschutz, da gibt es kein Wort über Frauen, das tabu wäre.
Eure Verleugnung von Frauenverachtung, Armut und Gewalt ist ganz
bestimmt nicht der Weg zur Freiheit und Gleichheit. Die Freiheit solcher
Ideologen ist die Freiheit der Privilegierten, die oder deren Töchter
selbst nicht in die Lage kommen, diese Politik für die
BordellbetreiberInnen und ZuhälterInnen mit der Benutzung ihres eignen
Körpers und der Verletzung ihrer Seele bezahlen zu müssen.
Vielleicht oder wahrscheinlich gibt es Frauen, die in der Prostitution
leben und sich für sich nichts anderes vorstellen. Ihnen wäre durch die
Bestrafung der Freier nicht geschadet. Die Frauen, die aus der
Prostitution aussteigen konnten, haben über diese Überlebensstrategie
ausführlich Zeugnis gegeben. Aber dass die Linke so tut, als gäbe es die
tausenden von in der Prostitution versklavten Mädchen und Frauen gar
nicht, das ist wirklich absurd. Es wird Euch niemand glauben, dass Ihr
das nicht gewußt habt.
Solange diese Frauenpolitik der Linken im Bundestag zum
Prostitutionsgesetz vertreten wird und in LOTTA solche Männerphantasien
verbreitet werden, werde ich es keinen Tag bereuen, die Partei Die Linke
verlassen zu haben.
Mit feministischen Grüßen
Roswitha Reger
http://www.ardmediathek.de/tv/Reportage-Dokumentation/Die-Story-im-Ersten-Ware-M%C3%A4dchen/Das-Erste/Video?documentId=32705698&bcastId=799280
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