CC BY-SA 3.0 Ralf Roletschek [Wiki Commons] |
Von Rachel Moran
Ich glaube kaum, dass ich jemandem etwas Neues beibringen würde, wenn ich diesen Artikel mit der Feststellung beginnen würde, dass Sucht zerstörerisch wirkt. Wir alle wissen das. Es ist allgemein anerkannt, dass die Sucht nach einer bestimmten Substanz oder einem bestimmten Verhalten zerstörerische Wirkungen auf den/die Süchtige_n, und diejenigen, mit denen er/sie in Kontakt kommt, hat.
Wegen des entmenschlichten Status von Frauen im Allgemeinen und
prostituierten Frauen im Besonderen, wird dieses Wissen jedoch verdrängt, wenn es um
sexsüchtige Männer und den Schaden geht, den sie prostituierten Frauen antun, die sie zur
Befriedigung ihrer sexuellen Impulse benutzen, wie im Fall des Artikels von Jim Norton, einem bekennenden Sexsüchtigen und Käufer von Frauenkörpern.
Die meisten Männer, die Frauen prostituieren sind nicht
sexsüchtig, aber sie teilen sicherlich die menschenverachtenden Ansichten
Nortons. Als jemand, deren Körper über einen Zeitraum von sieben Jahren, von
der Adoleszenz bis zum frühen Erwachsenenalter, von Männern wie Norton benutzt
wurde, kann ich sagen, dass ein
erstaunlicher Anteil von Täuschung und Verleugnung die Gedanken und
Einstellungen des durchschnittlichen "John"*, also Freiers, bestimmt; und dies passt
zu der lässigen Frauenfeindlichkeit, die ihnen das Benutzen der Körper von
Frauen und Mädchen möglich macht, die in erster Linie als Waren betrachtet
werden. Dies wird an mehreren Stellen in Nortons Text deutlich, zum Beispiel in
seiner Annahme, dass dort wo Prostitution legal ist, die Vergewaltigungsquote
gegenüber der nichtprostituierten weiblichen Bevölkerung sinkt. Mal abgesehen
davon, dass dies nicht belegt ist, selbst wenn es wahr wäre, würde dies ja
bedeuten, dass prostituierte Frauen und Mädchen als menschliche Schutzschilde
gegen Männer, die sexuell gewalttätig sind, eingesetzt werden. Jeder, der nahe legt, es sollte eine Klasse von
Frauen geben, die männliche sexuelle Aggression absorbieren, vertritt per
definitionem eine frauenfeindliche Ansicht. Wo ist die Forderung an Männer, damit aufzuhören
Frauen zu vergewaltigen? Und WARUM geben wir uns damit zufrieden in einer Welt
zu leben, wo stattdessen eine Klasse von Frauen dazu auserkoren wird, vergewaltigt zu werden?
Bezüglich der verachtenden Ausrede der "freien
Wahl", ist die Wirklichkeit, die die meisten "Johns"
geflissentlich leugnen und ignorieren (obwohl sie jeder kennt), dass Frauen und
Mädchen sich nicht dafür entscheiden, die Penisse von Männern acht, zehn, zwölf
Mal am Tag in unsere Körperöffnungen geschoben zu bekommen, weil wir dies
"wollen" oder weil wir "dies so gewählt" haben; wir stimmen
dieser kommerziellen sexuellen Gewalt aus zwei Gründen zu: in erster Linie weil Männer wie Jim Norton
existieren und eine Nachfrage nach der Komodifizierung unserer Körper
schaffen, und außerdem aufgrund unserer Lebensumstände, die uns keine realisierbare
andere Wahl gelassen haben.
Beim Lesen von Nortons Artikel rollten sich mir die
Zehennägel hoch, weil es mich sofort an die Tage erinnerte, in denen mein
eigener Körper am Fließband von unerbittlichen, erwachsenen Männern in sozial privilegierten
Positionen als Spermabehälter benutzt wurde. Die ungezügelte Verachtung von
Frauen, die aus seinem Artikel trieft, ließ mich zurück mit dieser Gänsehaut
auslösenden, Übelkeit hervorrufenden und seelenzerstörenden Erinnerung an die
rituelle Benutzung durch Männer, die mich nicht als menschliches Wesen
betrachtet haben, und deshalb, als eine Konsequenz daraus, ihre Handlungen
nicht als Menschenrechtsverletzung angesehen haben; sondern stattdessen als ein
gutartiges Streicheln, wie ein Sklavenhalter, der sich dazu entschließt seine
Sklavin zu massieren, statt sie mit der Peitsche zu schlagen, und sich selbst
sagt, dass daran nichts falsch ist, da er ihre Haut nicht verletzt, sondern nur
ihre Seele zerbricht; Die Abwesenheit der Peitsche erlaubt es ihm in seiner
krankhaft selbstsüchtigen und wahnhaften Wahrnehmung, seine eigene Rolle in
dieser bösartigen Meister/Sklaven-Dynamik auszublenden.
Seine Haltung bestärkt etwas in mir, dass ich erstmals mit 15 Jahren als
obdachloses prostituiertes Mädchen gelernt habe, und das ist: Es gibt Männer
auf dieser Erde, die sich einen Dreck um jemanden oder etwas scheren, wenn die
Anerkennung deren Wertes bedeuten würde, dass dies ihren gottallmächtigen
Orgasmen im Weg stehen würde. Das ist die einfache und unmenschliche Wahrheit,
und genau deshalb brauchen wir Gesetze, um ihnen den ebenbürtigen Wert weiblicher
Menschlichkeit aufzuzwingen, den sie niemals von alleine anerkennen werden.
Rachel Moran
*John = englischer Ausdruck für Sexkäufer
Dieser Text erschien auf Rachel Morans Blog "The Prostitution Experience" - Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Autorin
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