Veröffentlicht am 17. Juli 2014 von Rosen Hicher
Übersetzt und veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung der Autorin
Rosen Hicher ist eine französische Prostitutionsüberlebende. Beim vorliegenden Text handelt es sich um eine Stellungnahme, die sie in der französischen Tageszeitung Libération veröffentlichen ließ, während eine Gruppe französischer Senatoren versucht, ein neues Gesetz zu Fall zu bringen, das auf dem Nordischen Modell beruht und “Sexkäufer” (zahlende Vergewaltiger) zur Verantwortung ziehen würde.
Zu dem Zeitpunkt, als der französische Senat die Kunden schützt (1), werde ich, ehemalige Prostituierte, Ihnen sagen, warum ich will, dass Frankreich alles tut, um denjenigen Männern Einhalt zu gebieten, die zwanzig Jahre lang mein Leben zerstört haben. Ich habe die Kraft gefunden, es auszurechnen. Hören Sie gut zu. Ich hatte in meiner Karriere als Prostituierte mehr als 30.000 Kunden, was im Durchschnitt vier am Tag entspricht.
Über 30.000 Mal Geschlechtsverkehr, von denen ich keines wollte, gegen die sich mein ganzer Körper verweigerte. 30.000 Mal das Gefühl, missachtet zu werden, zu einem Nichts reduziert zu werden, eine Robotterfrau zu sein. 30.000 Mal ließ ich diese gleichgültigen Männer über mich ergehen, die sich so gewiss waren, dass dies ihr gutes Recht sei – in irgendeiner Ecke einer Hotessenbar, in schmuddeligen Salons, umgeben vom Geruch von auf Bänken verschüttetem Champagner und kopflosem Sex.
Sie, die Sie über die Kunden reden, als seien diese bemitleidenswerte, vereinsamte oder schüchterne Männer – wenn Sie nur wüssten! In Wahrheit reden Sie über Männer, die Sie bedrohen, wenn sie sich weigern, ohne Präservativ Sex zu haben. Sie reden über gewalttätige Männer, deren Verletzungen Ihnen vierzehn Tage lang Schmerzen bereiten. Sie reden über Amokläufer, die mitten in der Bar mit einem Gewehr um sich schießen. Über Kranke, die sich als Frauen verkleiden und sie jeder möglichen Erniedrigung aussetzen. Über Männer, die Ihnen Drogen ins Glas schütten oder Ihre Tür mit Obszönitäten beschmieren, weil sie sich rächen wollen. Über Männer, die sich erhängen, weil sie sich mit dem Kauf von Frauenkörpern ruiniert haben.
Und all die anderen. All die, denen es nicht die Mühe wert ist, sich umzuziehen oder zu waschen, weil sie uns so gering schätzen. All die Sexsüchtigen, die weder auf ihre Partnerin Rücksicht nehmen noch auf irgendeine andere Frau. All die Gestörten, die Masochisten, die Exhibitionisten, die Sadisten, die Zoophilen. All die Lauerer. Eines Tages bot mir einer von ihnen, der mich mit meiner 12-13jährigen Tochter gesehen hatte, ein Busfahrer (für Kinder!) bis zu 5.000 Euro an, um sie zu haben. Um sie zu vergewaltigen.
All die Männer, die uns gegenüber die verstiegensten Hirngespinste vorbrachten und uns nötigten ihnen zu erwidern, dass das ganz normal sei und dass es keine Grenzen gäbe. Sie denken, die Stammkunden, wie man sie nennt, seien nette Kerle. Nein. Diese Männer sind Opfer gravierender Abartigkeiten. Sie sind gefährlich für uns und für alle Frauen. Wann wird man verstehen, dass so viele von ihnen einen Therapeuten brauchen und keine Prostituierten?
Ich wurde nicht als Prostituierte geboren. Diese Männer haben mich zur Prostituierten gemacht. Sie waren es, die mir 30.000 Mal Geschlechtsverkehr aufgezwungen haben und damit ebenso viele Vergewaltigungen.
Es ist dringend an der Zeit, dass wir uns engagieren, damit unsere Kinder ein Recht auf Schutz haben, damit keine junge Frau und kein junger Mann durchmachen muss, was ich so viele Jahre lang durchmachen musste. Genau das ist nicht möglich, wenn man den Kunden sämtliche Rechte lässt. Ich weise es zurück, dass die Kunden arme Teufel sind, die bei diesem Prostitutionsgesetz übergangen werden, denn die, die ich hier erwähne, sind keine Einzelfälle. Die Kunden, das sind genau sie. Und ich stelle die Frage: “Wozu dieser Konsens, sie zu beschützen?”
(1) Anfang Juli hat eine Sonderkommission des französischen Senats die Kundenbestrafung im Rahmen des Gesetzesvorschlags zum “Kampf gegen das System der Prostitution” zurückgezogen, die die Nationalversammlung Ende November 2013 beschlossen hatte.
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