Donnerstag, 31. Juli 2014

In Schweden ist es so gefährlich! Und in Norwegen auch!

Underground
Nikos Koutoulas - Underground (Flickr)
[CC BY 2.0]
Weil, Verhaftungen und Strafen für das Herumtragen von Kondomen und Wohnungen aufgelöst und Frauen in dunklen Ecken. Und die Thai-Massage-Salons! Und wir haben da Studien, die ...

Uuuuund: Freier sind dort anonym und können nicht angezeigt werden, "harm reduction services" haben keinen Zugang zu den Frauen und umgekehrt, die Frauen verlieren das Sorgerecht für ihre Kinder, und es gibt keine Zahlen und ...

Schauen wir mal nach.

Hier einige Fakten und Zahlen zum Vergleich Schwedens mit Deutschland.

(Die Hinweise auf Veranstaltungen mit Vertreterinnen des BesD und von Beratungsstellen beziehen sich auf Bremen und mehrere Veranstaltungen in München.)

  1. Strafen für das Herumtragen von Kondomen in all den Ländern, in denen Prostitution komplett verboten ist. Da gehört Schweden nicht dazu, da gehörte auch Deutschland vor 2002 nicht dazu, und deswegen fordern wir ja weltweit die Entkriminalisierung der Menschen in der Prostitution selber. Zusammen mit Schulungen der Polizei zum Thema, wer sich hier strafrechtlich relevant verhält.
  2. Das Auflösen von Wohnungen, die zur Zuhälterei betrieben werden, bricht niemandem das Herz (außer ZuhälterInnen), dass damit Geschäftsmodelle der Frauen im BesD nicht mehr möglich sind, bricht mir auch nicht das Herz. Dass die genau in diese Form von Wohnungsvermietung einsteigen wollen – ihre Vertreterinnen machen das auf Veranstaltungen deutlich. Sie wollen auch, dass ihresgleichen dann in diesen Wohnungen 18-Jährige begleiten und anleiten dürfen (wir nennen das anders). Siehe den Wunsch, die gültigen Schutzbestimmungen für 18-21 aufheben zu wollen. Steht auf ihren Seiten.
  3. Freier sind anonym und können deswegen nicht angezeigt werden. Na gut, dass die hier alle sich bei der Polizei registrieren und den Frauen Namen und Adresse hinterlegen. Die Tatsache, dass sie in Schweden als Sexkäufer schon mal im Unrecht sind, stärkt die Frauen bei Anzeigen durchaus.
  4. „Harm reduction services“ sagt an sich schon alles aus, - etwas weniger Gewalt reicht manchen Leuten halt – aber das Thema der Finanzierung echter Unterstützungsangebote gilt überall. Stockholm ist ganz gut, auf dem Land sieht es schlecht aus, wird übrigens von Feministinnen dort kritisiert. Hier gibt es ebenfalls ganze Landstriche und Kleinstädte ohne irgendwelche Angebote, ggf. halbtags ein Typ am Gesundheitsamt, und einige der angeblichen Hilfsorganisationen geben bei Veranstaltungen offen zu, dass sie keine Ausstiegsberatung machen, weil sie dafür kein Geld/keine Zeit haben. Bei anderen passiert nichts außer "Unterstützung", den Job auszuhalten, egal wie es der Frau geht ("wir haben ja alle mal einen schlechten Tag"), und bei Ausstiegsberatung helfen sie, den Harz IV Antrag auszufüllen. Wieder andere arbeiten sehr hart, in ganz D aber sehr wenige. In anderen Städten schließen die Frauen die Zimmertüren, wenn die Sozialarbeiterinnen auftauchen, die ihrerseits öffentlich betonen, sie hätten ein gutes Verhältnis zu den Bordellbetreibern. Was sie brauchen, da sie ja sonst nicht rein dürfen. Und mit den Frauen unter Aufsicht reden. Also: wahrlich kein schwedisches Problem, wenn es mit der "harm reduction" nicht klappt, hier hinzuschauen wäre mal wirklich wichtig.
  5. Sorgerechtsverlust hängt von der Arbeit der Jugendämter ab, nicht vom legalen Status für ZuhälterInnen, Freier, Bordellbetreiber_innen und Menschenhändler_innen. Sprich: Auch die völlige Legalisierung sämtlicher Ausbeutungszenarien hat hier kaum Auswirkungen, ein Schönreden jeglicher Gewalt jedoch schon – wenn Gewalt nicht einmal wahrgenommen wird, dann gibt es auch keine Gründe für Sorgerechtsentzug, egal wie die Mutter lebt, wer in ihrem Umfeld ist, wie es ihr geht, etc. Unten ein Beispiel zu Deutschland samt Auskunft des Jugendamts: Da können wir nichts tun. Ich will der jungen Frau das Sorgerecht nicht wegnehmen. Aber dass sie andere Unterstützung braucht als gangbang parties ist eigentlich allen außer den Claqueuren und Claqueurinnen dieser Gewalt klar. (Triggerwarnung!) http://www.bw7.com/forum/showthread.php/71381-Teenie-Tina-%28schwanger%29-GangBang-Party?p=552400#post552400 http://gang-bang-party.com/com/2014/02/24/bericht-gangbang-filmparty-mit-dem-schwangeren-teenie-tina/ Zu dem seitens der Befürworter_Innen der Sexindustrie immer wieder verbreiteten Fall der "Petite Jasmin": Wenn Kinder nach einem Besuch bei ihrer Mutter mit Verbrennungen zurück kommen und deren Tante das bei der Polizei anzeigt, dann liegt der Entzug des Sorgerechts sicher nur an der Prostitution, oder? Es kommt auf die Bereitschaft an, Gewalt gegen Frauen und gegen Kinder wahr zu nehmen. Andere Länder sind da erheblich genauer als wir. Schweden verbot Körperstrafen an Kindern vor 30 Jahren. Deutschland 2000.
  6. "Die Frauen in der Prostitution in Schweden hat nie jemand gezählt, weder vorher noch nacher" – stimmt weder für den Entstehungsprozess des schwedischen Gesetzes 1999, als ein 800-seitiger Bericht vorgelegt wurde, in dem Frauen in der Prostitution ausführlich zu Wort kommen – noch für die jetzige Evaluation. Die unklare Datenbasis, die bleibt, ist allerdings ein Problem, vor allem für Deutschland, da es hier um mehrere 100 000 Frauen geht, aber entweder gibt es Zahlen, oder es gibt keine. Den AbolitionistInnen erklären, es gäbe keine, nur um dann aus den eben noch kritisierten Zahlen eigene Schlüsse zu ziehen – naja, so arbeitet halt Dodillet.
    Berichte: http://www.government.se/sb/d/13420/a/151488 (Skarhead Report) und Link zum Abstract, den Rest bitte selber klicken: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1690998, das wären zwei von zig Berichten dazu.
  7. Thai-Massage-Salons sind übrigens sehr im Untergrund und können daher nicht gefunden werden. Die Frauen da drin arbeiten total alleine und sind den Freiern ausgesetzt. Und jede Thai-Massage (und Frau, die diese Massagen beherrscht) ist Prostitution. Moment – irgendwas stimmt nicht.
  8. Kritische Anmerkungen zu Sozialarbeit, Internet-Angeboten etc.: Anders als Deutschland kann Schweden es sich erlauben, die eigene Gesetzgebung kritisch zu betrachten. Die deutschen Evaluationen ziehen es vor, Dinge wie Feuerlöscher zu betrachten, die Frage, wie es den Frauen geht oder nach Gewaltvorkommnissen wird erst gar nicht gestellt. Nur eine hübsche Statistik, aus der hervorgeht, dass Bordellbetreiber das Gesetz von 2002 super finden, während die Frauen selber dadurch keine Verbesserung ihrer Situation feststellen konnten. Liegt aber nur daran, dass nicht alle Bundesländer sämtliche Ausbeutungen umfassend legalisiert haben – so die dt. Schlussfolgerung. Hier die Evaluation: http://www.bmfsfj.de/doku/Publikationen/prostitutionsgesetz/pdf/gesamt.pdf
  9. Gefahren durch die Prostitution. Prostitution ist per se Gewalt und solange das weggeredet wird, wird es sehr schwierig, den Frauen zu helfen. Gewalt muss erst einmal wahrgenommen werden, damit ihr begegnet werden kann. In Deutschland gab es seit 2002 über 30 Morde und Mordversuche durch Freier oder Zuhälter – nicht alle aufgeklärt. In Schweden gab es einen Mord im Rahmen einer Trennung und eines Sorgerechtsfalls durch den Ex-Partner der ermordeten Frau ("Petite Jasmin"), dem die Kinder nicht zugesprochen wurden. (Für Leute mit guten Nerven: Mal Durchlesen, wie die Gesetzeslage zu leiblichen Vätern, auch gewalttätigen, in Deutschland so ist.) Morde und Mordversuche in diesem Kontext zusammengenommen in Deutschland: 1 pro Tag (Zahlen von den Frauenhäusern und dem BKA).
  10. Prostitution ist Gewalt besetzt. Auch in Deutschland stehen Frauen abseits, weil sie die „Platzmiete“ nicht zahlen, weil andere Frauen oder Zuhälter sie abdrängen (Anlass für putzige Anekdoten seitens der „Hilfseinrichtungen“ – keine Sorge, wir reden mit allen). Männer, die Frauen ausrauben, vergewaltigen oder ermorden wollen, finden ihre Opfer bei denen, die an den Rand gedrängt wurden – den Obdachlosen, denen, die von zu Hause weggelaufen sind, den Drogenabhängigen. Es ist leichter, sich um die Sicherheit der ca. 1500 – 2000 Frauen in der Prostitution in Schweden zu kümmern als bei den 400 000 hier. Die Tatsache, dass Vergewaltigungen in D. zumindest in/nach Beziehungen weitgehend straffrei sind, wenn sich das Opfer nicht selbst gefährdend gewehrt hat, und dass hier nur die Perspektive der Täter gilt, verschärft die tatsächliche Situation der Frauen in Deutschland, auch wenn es zu sehr hübschen Statistiken führt. Angeblich soll sich das jetzt ändern, aber da die Befürworterinnen der Prostitution und ihrer zahlreichen Bordellformen an der Formulierung der Gesetzesvorschläge zu Vergewaltigung beteiligt sind, sehe ich schwarz.
  11. Es ist klar, dass es für viele bedrohlich wirkt, wenn die Gewalt und die Gefahren angesprochen werden, dass sie hoffen, dass eine verplüschte Darstellung der Prostitution die Gesellschaft und alle Freier etc. so beeinflusst, dass sie sich dann so verhalten, wie es in der verplüschten Romantisierung dargestellt wird. Aber das funktioniert nicht. Dagegen steht die Porno-Industrie, die Gewalt vormacht, und ein paar freundlichen Filmchen setzen der Brutalität des Rests nichts entgegen. Dagegen stehen die Freier und dagegen steht eine gesellschaftliche Mentalität, die Frauen ausschließlich Objekt- und Bedürfnisbefriedigungsstatus zugesteht.
Diese Mentalität wollen wir ändern. Geld ist eine feine Sache. Rechte über den sexuellen Zugang zu anderen Menschen damit erwerben, ist ein Verbrechen.

Weitere Auseinandersetzung mit dem Thema „Schweden und Sicherheit“: http://banishea.wordpress.com/2013/11/16/schweden-sicherheit-und-behauptungen/

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