Mittwoch, 17. September 2014

Beobachtung des Marktes vor und nach dem Sexkaufgesetz

Die im Rahmen der Gesetzesevaluation durchgeführten Befragungen der prostituierten Personen durch das unabhängige Forschungsinstitut Vista Analyse AS haben zu folgenden zentralen Ergebnissen bezüglich der Entwicklung des Marktes geführt. 

Beobachtung des Marktes vor und nach dem Sexkaufgesetz 

 

Ausgangspunkt ist ein nationaler Prostitutionsmarkt. Die meisten der prostituierten Personen waren ehedem norwegische, drogenabhängige Frauen, die auf dem Markt waren um sich ihren Drogenbedarf zu finanzieren. Solange der Markt hauptsächlich aus ihnen bestand, war es möglich, auf der Angebotsseite eine Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten, die als Semi-Kartell charakterisiert werden kann. Das schloss Zusammenarbeit bei den Preisen und eine Reihe anderer ungeschriebener Regeln und Normen ein, unter anderem zur Nutzung von Kondomen und zu den Diensten, die „gut“ angeboten werden konnten. Solange sich Abgang und Zugang zum Markt einigermaßen im Gleichgewicht befanden und dieser sich übersichtlich zeigte, war der Markt durch die Macht des Angebots geprägt. Dadurch gab es im Vergleich zu Verhältnissen auf einem unregulierten Markt höhere Preise und ein geringeres Angebot.


Die Innenprostitution wurde in den 80er Jahren vor allem durch ressourcenstarke norwegische Frauen geprägt. Nach und nach etablierten sich auch Gruppen thailändischer und südamerikanischer Frauen (besonders aus der dominikanischen Republik), von denen viele durch Ehen mit norwegischen Männern nach Norwegen gekommen waren. Das führte zu einer Zunahme der Anzahl der Massageinstitute, in denen „sexuelle Dienste“ angeboten wurden. Die Erfahrungen aus den 70er, 80er, 90er Jahren zeigen, dass Institute hervorschießen, wenn der Markt in Ruhe gelassen wird, während Aufmerksamkeit durch Polizei und Öffentlichkeit zu Schließungen und reduzierter Nachfrage führt.

Der mobile Prostititutionsmarkt mit Annoncen im Internet hat sich um die Jahrtausendwende etabliert. Ab 2000 erhöht sich die Anzahl ausländischer prostituierter Personen sowohl in der Innenprostitution als auch in der Straßenprostitution. Die Macht des Angebots kollabiert, was in beiden Märkten zu fallenden Preisen und erhöhter Konkurrenz führte. Norwegen wurde nach und nach Teil des internationalen Prostitutionsmarktes, geprägt durch große Rotation und eine starke Zunahme der Anzahl prostituierter Personen aus armen und mittelarmen Ländern. Zuerst kamen osteuropäische Frauen, danach afrikanische prostituierte Personen mit dem Schwerpunkt Nigeria auf den norwegischen Markt.

Vor Einführung des Sexkaufgesetzes wurde die Straßenprostitution stark durch prostituierte Personen aus Nigeria und zusätzlich durch Frauen aus armen Gebieten Europas dominiert. Die Innenprostitution wurde durch osteuropäische und asiatische Frauen beherrscht. Ähnlich wie die meisten europäischen Prostitutionsmärkte entwickelte sich der norwegische Markt von einem nationalen zu einem internationalen Markt verbunden mit dem dazugehörigen Preisverfall und erhöhter Konkurrenz auf dem Markt. Der Markt entwickelte sich nach 2000 von einem Verkäufermarkt immer mehr zu einem Käufermarkt.

Die norwegischen Frauen, die den Markt traditionell dominiert hatten, erlebten:

  • Physische Verdrängung vom Markt, indem sie auf eigene Gebiete verwiesen wurden
  • Erfahrung größerer Unsicherheit auf dem Strich durch Hintermänner der Konkurrentinnen und durch geringeren Zusammenhalt unter prostituierten Personen.
  • Verlust der Konkurrenzkraft gegenüber jüngeren und drogenfreien Konkurrentinnen
  • Erhöhung von Konkurrenz und Arbeitsdruck, da die neuen Gruppen länger und mehr arbeiteten und eine wesentlich größere Präsenz auf dem Markt hatten, als es früher üblich war

Für die Initiativen/Hilfsorganisationen wurde offensichtlich, dass unter den prostituierten Personen aus dem internationalen Markt viele Frauen von kriminellen Netzwerken ausgenutzt wurden. Nadheim schreibt 2006, dass bei Zugrundelegung der Definition von Menschenhandel aus §224 des Strafgesetzbuches angenommen wird, dass die Mehrheit der ausländischen Frauen Menschenhandel ausgesetzt war oder ist. Von den anderen hat der größte Teil zu dem einen oder anderen Zeitpunkt Unterstützung von Organisatoren erhalten, um nach Norwegen zu kommen. Dafür haben sie an die Organisatoren bezahlt oder bezahlen immer noch. Bei Einführung des Sexkaufverbotes 2009 ging der Umgang sowohl der Innenprostitution als auch der Straßenprostitution zurück, um bis 2012 wieder etwas anzusteigen. In der gegenwärtigen Situation scheint sich der Markt auf einem niedrigeren Niveau stabilisiert zu haben, etwa 20-25% niedriger als vor Einführung des Gesetzes. Die Schlussfolgerung in Bezug auf die Reduzierung des Umfangs nach Einführung des Sexkaufgesetzes ist gesichert.

Die im Markt heute am deutlichsten sichtbare Entwicklung besteht in der Zunahme der Anzahl von Frauen aus Nigeria, Albanien und teilweise aus Rumänien und Bulgarien in der Straßenprostitution. Es wird auch eine Zunahme an russischen prostituierten Personen mit Aufenthalt in Spanien durch Ehen mit spanischen Männern zusätzlich zu einigen westlichen prostituierten Personen, die andere Märkte als Hauptarbeitsplatz haben, beobachtet. Schlechte Bedingungen auf anderen Märkten führen dazu, dass Norwegen nach wie vor ein Ziel ist und dies trotz härterer Konkurrenz, niedrigerer Nachfrage und schlechterem Verdienst als früher. Im Vergleich mit der Situation vor Inkrafttreten des Gesetzes zeigen unsere Berechnungen eine niedrigere Anzahl von prostituierten Personen auf dem Markt als vor der Einführung des Gesetzes

Prostitution in Norwegen mit und ohne Sexkaufgesetz

Die Entwicklung in der EU und in den Prostitutionsmärkten in anderen Teilen Europas hätte ohne das Sexkaufgesetz nach 2008 mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem weiteren Wachstum des norwegischen Prostitutionsmarktes geführt. Es wird eingeschätzt, dass sich der Umfang ohne Sexkaufgesetz im Vergleich zum Ausgangsniveau von 2008 um 45 Prozent erhöht hätte. 

Verglichen mit der Situation von 2008, das heißt vor der Einführung des Sexkaufgesetzes, lässt sich insgesamt eine Reduzierung der Anzahl Prostituierter auf dem norwegischen Prostitutionsmarkt um 20 - 25 Prozent feststellen. Die prozentuale Reduzierung der Anzahl der Sexkäufe ist wahrscheinlich größer. Das ergibt sich aus Aussagen über längere Wartezeiten zwischen jedem Kunden, über kürzere Aufenthalte in Norwegen und erhöhte Reiseaktivitäten bei einem großen Teil der Prostituierten auf dem norwegischen Markt.

Verfügbare Informationen über die Preis- und Einkommensentwicklung auf dem Markt weisen auf fallende Realpreise hin. Mit fallenden Realpreise und reduziertem Angebot bestätigt die Entwicklung wirtschaftlicher Indikatoren, dass sich die Nachfrage nach dieser Art von Dienstleistungen reduziert hat.

Quelle: Vista Analyse AS: Evaluering av forbudet mot kjøp av seksuelle tjenester (Kapitel 9 und 10) 

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