Sonntag, 18. März 2018

Offener Brief an die Stadt Frankfurt Re: Tagung "Zukunft Rotlicht"

An die

SAALBAU
Betriebsgesellschaft mbH
Niddastraße 107
60329 Frankfurt am Main

Kopie: Frauenreferat der Stadt Frankfurt, Presse

Sehr geehrter Herr Junker, sehr geehrte Frau Dr. Hartwig,

am 23. April 2018 findet im SAALBAU Gallus die Veranstaltung mit dem Titel „Zukunft Rotlicht“ statt.

Diese Veranstaltung ist der Anlass dafür, dass wir, die Unterzeichnenden, uns mit diesem Brief an Sie wenden.

Wir fragen uns, wie eine solche Veranstaltung mit Ihrem Selbstverständnis vereinbar ist und die Nutzung von kommunalen Einrichtungen für solche Zwecke für die Allgemeinheit vertretbar ist.


Auf Ihrer Webseite heißt es:
„Mit unserem Raumangebot übernehmen wir die Funktion, als Bindeglied in einer sich zunehmend aufspaltenden Gesellschaft, Begegnungen von Kulturen, Generationen und Milieus zu ermöglichen.“
Dass eine „Bundesweite Zusammenkunft für Sexworker und Betreiber“ darunter fällt, kann man nun schwerlich bejahen. Wir möchten daran erinnern, dass die Stadt Frankfurt schon im vorletzten Jahr – im Zusammenhang mit einer Broschüre zur Bahnhofsviertelnacht - für Negativschlagzeilen gesorgt hat. Die gesellschaftliche Institution der Prostitution leistet keinen Beitrag gegen die Spaltung der Gesellschaft – ganz im Gegenteil zementiert sie das hierarchische Geschlechterverhältnis.

In Ihrer Satzung heißt es in §2 außerdem:
„Dieser Unternehmensgegenstand soll vorwiegend den Zwecken der Gemeinschaftspflege, der Förderung des kulturellen Lebens, der Volksbildung, der Heimatpflege, der Jugendpflege, der Gesundheitspflege, der Förderung des Sportes und der sozialen Betreuung dienen.“
Eine Veranstaltung für Bordellbetreiber erfüllt diesen Zweck definitiv nicht. Es ist nicht einzusehen, warum Sie durch Ihre Vermietung der städtischen Einrichtung eine Veranstaltung ermöglichen, deren Ziel es ist, den Prostitutionsmarkt unter den geänderten Bedingungen des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) zu erhalten, zumal diese miteiner Tagungsgebühr in Höhe von 224 Euro nicht unerhebliche Einnahmen generiert.

Dem Portfolio des Veranstalters ist eindeutig ein kommerzielles Interesse nachweisbar, ein Blick auf das Angebot seiner „Rotlicht Akademie“ sollte genügen. Zum Beispiel wird dort angeboten: eine „Grundlagen-Schulung + Bestandsaufnahme sowie Erörterung eventueller Probleme für den Betreiber“ – Kostenpunkt: knackige 650 Euro.

Der Blick auf die Referentenliste der Tagung (9 Männer, 1 Frau) offenbart zudem insgesamt den Eindruck, dass es sich hier um eine Werbeveranstaltung für milieunahe Menschen aus unterschiedlichen Berufssparten handelt[1]. Fakt ist, dass es sich bei der Prostitution mitnichten um bloße Tauschverhältnisse zwischen zwei Individuen handelt, sondern, dass in diesem System zahlreiche Dritte mitverdienen, seien sie Betreiber, Marketing-Experten, Unternehmensberater, Juristen, usw.[2]

Nicht zuletzt sei erwähnt, dass sich unter den Referenten der ehemalige Geschäftsführer der Paradise-Kette und Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Erotikgewerbes, Michael Beretin, finden lässt, der vor nicht allzu langer Zeit wegen des Verdachts auf Menschenhandel in Untersuchungshaft saß und derzeit auf seinen Prozess wartet[3], und der in einer Dokumentation des britischen Senders Channel 4, mit dem Titel „The Mega Brothel“ über die Frauen in seinem Etablissement wörtlich sagte:

„Das ist einfach ein total abgewichstes, kaputtes Volk, wo nur noch ganz wenige Seele und Verstand haben und den Beruf noch mit ein bisschen Herz machen. Das sind einfach vollkommen… das ist einfach so, es ist schade, dass ich das jetzt sagen muss, aber sie sind es.“
Diese Verachtung für prostituierte Frauen stößt auf unseren erbitterten Widerstand. Nicht diese sind es, die Missbilligung verdienen, sondern jene, die aus ihrer sexuellen Ausbeutung einen finanziellen oder gesellschaftlichen Nutzen ziehen – die wirtschaftlichen Profiteure und die Freier.

Wir stellen fest, dass sich die Profiteure der Sexindustrie im Zusammenhang mit dem neuen Gesetz neu organisieren und ihre üppigen Profite auch in der Zukunft sichern möchten. Wir halten es für unvereinbar mit den Zielen und der Satzung ihrer kommunalen Einrichtung, ein derartiges Ansinnen mit dem zur Verfügung stellen Ihrer Infrastruktur zu unterstützen.

Daher fordern wir Sie auf, den Vertrag unverzüglich zu kündigen.

Mit freundlichen Grüßen


Abolition 2014 – Für eine Welt ohne Prostitution

Alarm gegen Sexkauf und Menschenhandel e.V.

Bloggerinnenkollektiv Die Störenfriedas

Feministische Partei DIE FRAUEN

Feministische Partei DIE FRAUEN  Frankfurt am Main

Frauen helfen Frauen in Not e.V. Konstanz

Initiative für Gerechtigkeit bei Sexueller Gewalt

Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen e.V.

Initiative Stop Sexkauf

Karlsruher Appell

Kofra München

Marburger Bürgerinitiative bi-gegen-bordell

Netzwerk Ella

Save Rahab e.V.

TERRE DES FEMMES Städtegruppe Rhein-Main


+ 50 weitere EinzelunterzeichnerInnen


[1] Ausführlich, siehe https://diestoerenfriedas.de/zukunft-rotlicht-profiteure/

[2] https://www.stern.de/wirtschaft/news/bordelle-fuerchten-wegen-gesetz-zum-schutz-von-prostituierten-um-existenz-7817412.html

[3] https://www.bild.de/regional/stuttgart/anklage/gegen-paradise-chefs-53395778.bild.html

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen