Kiki Smith, Untitled. 1988 |
Um den Überblick nicht zu verlieren bei all den Mythen und Antworten, hier ein paar Vorbemerkungen. Wie Kajsa Ekis Ekman es an einer Stelle in ihrem Buch "Ware Frau" gut zusammenfast: Die Seite der Sexindustrie hat keine Argumente, und schon gar keine zusammenhängenden, sie hat lediglich eine Marketing Strategie, die den jeweiligen Gegebenheiten angepasst wird. In queeren Zusammenhängen wird aus "Lust an der Sexarbeit" schon mal eine sexuelle Orientierung, in konservativ-männlich-liberalen wird mit individuellen Freiheitsrechten argumentiert, in oberflächlichem Feminismus mit der sexuellen Selbstbestimmung und dem Recht von Frauen, über ihren Körper zu verfügen. Die unabdingbar sind - deswegen schaffen wir Prostitution ja ab.
Wir hingegen müssen diesem Wust an Sätzen und Phrasen stimmige Argumente entgegensetzen, die nicht nur in der gerade gehaltenen Debatte oder Diskussion nützen, sondern langfristig unsere Seite stützen.
Dazu kommen ernste Sorgen von Leuten, die zwar das Bauchgefühl haben, dass Prostitution nicht gut sein kann, aber denen die Argumente fehlen oder die sich wirklich auf Grund einzelner Mythen Sorgen machen - die wollen wir ja nicht abschrecken, sondern ermutigen, diesem Bauchgefühl zu trauen.
Auf der letzten Ebene kommen die Probleme, die - weil sie nichts mit den verschiedenen Ansätzen zur Prostitution zu tun haben - als ernste Probleme bleiben, so etwa der Zugang Marginalisierter zu den Sozialsystemen, oder die Situation der Frau aus Nigeria ohne Aufenthaltserlaubnis in Deutschland. Ein Regime, das Prostitution als Gewalt betrachtet ist sicher besser geeignet, hier unterstützend zu wirken als eines, das Prostitution als Ausweg hinnimmt oder sogar empfiehlt.
Und natürlich gibt es immer wieder Probleme bei der Umsetzung der Modelle, wenn die Hilfen für die Frauen in der Prostitution nicht gewährleistet sind, oder wenn das Gesetz von einer Polizei umgesetzt werden soll, die es nicht versteht, oder wenn die Aufklärung der Öffentlichkeit fehlt.
Der Weg für uns geht nur über die innere Abklärung, damit uns unser eigenes Ziel präsent bleibt, die "Vision" der Gesellschaft, in der wir leben wollen, über das, was wir eben als langfristiges (und auch mittel- und kurzfristitiges) Ziel wollen. Wie soll die Gesellschaft aussehen? Wie sehen wir die Frauen (oder jungen Männer, trans*) in der Prostitution? Was wollen wir ihnen bieten? Wie sieht unsere Vorstellung eines Zusammenlebens von Frauen und Männern aus, was sind unsere Vorstellungen von Sexualität? Von Arbeit? Von einem fairen Miteinander aller? Wir alle sind ja den Weg dieser Klärung schon gegangen, aber es schadet nicht, sich das selber hin- und wieder ins Gedächtnis zu rufen. Das hilft, die vielen verschiedenen Sätze und Antworten zu sortieren und dabei die Argumentationen und Argumentationsstrategien zu finden, die am besten zu uns individuell und zu unseren Anliegen passen. Damit verlieren wir uns nicht in den Debatten, und wir verlieren auch nicht die Situation von Frauen - allen Frauen - aus dem Blick. Sonst läuft die abolitionistische Debatte manchmal Gefahr, es zwar gut zu meinen, aber doch daneben zu greifen.
Wir haben Argumente und gesellschaftliche wie feministische Ziele, und das unterscheidet uns von der Seite der Sexindustrie mit ihren neoliberal-wirtschaftlichen Anliegen, ihrem Wunsch die Welt völlig jeglicher Ausbeutung zu unterwerfen und dabei die mangelnde Gleichstellung von Frauen und Männern darüber zu zementieren, dass der Status Quo als Grundlage eines Geschäftsmodell dient. Wir wollen beides abschaffen: Die Ungleichheit und das von ihr zehrende Geschäftsmodel. Unsere Argumentation wird und muss noch stehen, wenn wir den abolitionistischen und schwedischen Ansatz hier verwirklicht haben.
Bücher:
Kajsa Ekis Ekman, Ware Frau. Prostitution, Leihmutterschaft. Menschenhandel.
Katharina Sass (Herausgeberin), Mythos "Sexarbeit." Argumente gegen Prostitution und Sexkauf.
Rachel Moran, Was vom Menschen übrig bleibt. Die Wahrheit über Prostitution.
Und viele andere Bücher, die auch auf die Mythen eingehen, z.B Sheila Jeffreys, Die Industrialisierte Vagina.
Online:
Eine sehr gute Zusammenstellung steht hier – Manu Schon hat hierfür die Antworten von Kvinnofronten, einer sehr großen norwegischen feministischen Organisation übersetzt und eingearbeitet:
Weiter gibt es den Flyer der European Women's Lobby EWL, auf den Webseiten von Solwodi oder Rotlicht Aus herunter zu laden:
Er ist auch eingebettet in einen Artikel zur EWL und zur Honeyball-Resolution hier:
http://abolition2014.blogspot.de/2014/09/die-european-womens-lobby-feminismus.html
http://abolition2014.blogspot.de/2014/09/die-european-womens-lobby-feminismus.html
Weitere Artikel, die sich mit Prostitutionsmythen befassen:
Abolition 2014:
„Prostitution, so wie sie heute besteht“
Schluss mit Mythen. Warum Legalisierung eine schreckliche Idee ist:
Mythbusting: Durch das Nordische Modell haben sich die Verdienstmöglichkeiten in der Prostitution verschlechtert
Mythbusting: Wenn man Sexkauf verbietet, wandert die Prostitution in den Untergrund
Wissenschaftliche Freiheit, Meinungsfreiheit und Freiheit der Kunst. Zur Prostitutionsdebatte.
Hier eine gute Zusammenstellung, über Linke für eine Welt ohne Prostitution:
12 Mythen über Prostitution und Sexkaufverbot
Die Gruppe Alarm gegen Sexkauf bietet workshops zum Thema an,
Auch Terre des Femmes hat Prostitutionsmythen zusammengestellt und ihnen die Realität entgegengesetzt:
Liberation Language hat einen Podcast von Janice Raymond auf Feminist Current übersetzt, in ihrem Vortrag geht Janice Raymond ebenfalls auf gängige Myhten ein:
Englisch:
Englisch hat Banishea einige Artikel, u.a.:
Myths, auxiliary myths, toxic myhts – and the ugly truths
Vor allem bietet Melissa Farleys Seite „Prostitution Research and Education“ zu allen Themen Artikel, zu Mythen besonders:
Myths & Facts about Legalized Prostitution. Date: 2009; 18 common myths about trafficking and the factual evidence.
Megan Tyler, von der Coalition Against Trafficking – Australia, hat hier 10 Mythen zusammengestellt:
Die Liste ist sicher nicht vollständig. Ergänzungen werden gerne genommen.
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